Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dürfte für Jubel bei der Abmahnindustrie sorgen. Das Gericht hat am heutigen Donnerstag zugunsten einer anonymen Briefkastenfirma entschieden, die auf Zypern angemeldet ist. In Deutschland und anderen europäischen Staaten hat sie Abmahnungen an Personen verschickt, die Pornos über BitTorrent-Netzwerke heruntergeladen haben. Endgültig urteilen muss nun ein belgisches Gericht.
Die Briefkastenfirma M.I.C.M. Mircom hatte zuvor Internet-Provider in halb Europa mit Klagen überzogen. Sie kaufte bei Porno-Herstellern aus den USA und Kanada die Rechte an Filmen wie „My Mom’s Best Friend“ und „Girls kissing Girls 15“ ein – allerdings nur die Rechte für den Vertrieb über Peer-to-Peer-Netzwerke wie BitTorrent.
Mit spezieller Software machte sich Mircom in Torrent-Netzwerken auf die Jagd nach Nutzer:innen, die einen „ihrer“ Filme zogen. Mit den IP-Adressen der Betroffenen in der Hand ging die Firma zu Providern in Belgien, Großbritannien und Schweden und verlangte dort die Herausgabe von Namen und Adressen. Weigerten sich die Provider, zog die Porno-Briefkastenfirma vor Gericht.
Dabei ist noch nicht einmal bekannt, wer hinter Mircom steht und damit, bei wem diese Adressen landen. Der Eintrag im zypriotischen Handelsregister führt bloß zu Strohmännern und weiteren Briefkastenfirmen, die unbekannten Betreiber:innen reagierten bei früheren Versuchen nicht auf Anfragen.
Das Geschäftsmodell von Mircom hänge „somit vom Bestehen von Produktpiraterie anstatt von deren Bekämpfung ab“, lautete die Einschätzung eines belgisches Gerichts. Seine Frage, ob jemand gleiche Ansprüche wie andere Urheber erheben dürfe, der Rechte bloß zum Versenden von Mahnschreiben erwerbe, brachte den Fall bis vor den Europäischen Gerichtshof.
Es handele sich um einen „politischen Fall“, sagte vor Verfahrensbeginn der Anwalt des belgischen Providers Telenet BVBA, Benoit Van Asbroeck. Das Gericht müsse zwischen echten Rechteinhabern und bloßen Copyright-Trollen unterscheiden.
„EU-Gericht hat eine Chance verpasst“
Das EU-Gericht entschied nun, dass auch Rechteinhaber wie Mircom, die ausschließlich auf Schadenersatz aus sind, „grundsätzlich die im Unionsrecht vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zustehen können“, wie es in einer Pressemitteilung des EuGH heißt. Der Provider dürfe Auskunftsanträge von solchen Rechteinhabern nach Namen und Adressen seine Kund:innen nicht grundsätzlich ablehnen – darüber entscheiden, ob es sich um legitime Ansprüche handelt oder nicht, müsse ein Gericht.
In seinem Urteil betont der EuGH, im europäischen Recht gebe es zwar keine Verpflichtung für Provider wie Telenet, die Daten ihrer Kund:innen für Abmahnungen preiszugeben. Allerdings stehe auch nichts einer solchen Verpflichtung im nationalen Recht entgegen. Die deutsche Rechtspraxis bleibt damit von dem Urteil unberührt.
„Der Europäische Gerichtshof hat die Chance verpasst, ein Grundsatzurteil gegen die Abmahnindustrie zu fällen“, beklagt die frühere Piraten-Europaabgeordnete Julia Reda, die nun bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte aktiv ist.
Das EU-Gericht lasse Copyright-Trolle weiterhin leichtes Spiel, sagt Reda. „Im Zweifelsfall können sie sich dann einen Gerichtsstand aussuchen, der es mit der Prüfung ihres Geschäftsmodells nicht so genau nimmt.“
Immerhin lässt das Urteil die Möglichkeit offen, die Klage der Briefkastenfirma aus Zypern noch abzuschmettern. Auskunftsanträge an Provider durch Rechteinhaber dürften nicht missbräuchlich sein, betont das EU-Gericht. Ein Missbrauch könne etwa da geschehen, wo auf Abmahnungen keine Klagen vor Gericht folgten – dies wäre ein Anzeichen dafür, dass der Rechteinhaber seine Rechte nicht wirklich durchsetzen will, sondern bloß auf Profit aus ist.
Die endgültige Entscheidung liegt bei dem belgischen Gericht, dass den Fall dem EuGH vorgelegt hat. „Es bleibt zu hoffen, dass das belgische Gericht den Porno-Abzockern im Ausgangsrechtsstreit eine Abfuhr erteilt“, sagt Reda.
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