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Zivile Überwachung: Kriminalitäts-App setzt Kopfgeld auf Unschuldigen aus

Wald steht in Flammen

Die Polizei-Scanner-App Citizen hat in Kalifornien zu Unrecht einen obdachlosen Mann beschuldigt, einen Waldbrand gelegt zu haben. Dabei veröffentlichten die Betreiber:innen Namen und Foto des Mannes und setzten 30.000 Dollar Kopfgeld auf ihn aus. Polizeibeamt:innen hielten den Mann kurzzeitig fest, ließen ihn aber laufen, nachdem sie feststellten, dass es keine ausreichenden Beweise gab. Das bestätigte die Feuerwehr von Los Angeles gegenüber dem Guardian.

Die App meldete am Samstag, dass der vermeintliche Täter im Zusammenhang mit einem Großbrand in Los Angeles gesucht wird. Nachdem Citizen den Fehler erkannte, zog die Plattform das Foto und die Belohnung innerhalb eines Tages zurück. Bis dahin hatten allerdings bereits mehr als 861.000 Menschen die Meldung gesehen. Expert:innen und Beamt:innen kritisieren Citizen für den Vorfall.

Die App bezieht ihre Informationen zu Verbrechen über den Polizeifunk und andere Quellen und bereitet diese für ihre Nutzer:innen auf. Diese werden alarmiert, wenn Verbrechen, Notfälle oder andere gefährliche Ereignisse in der Umgebung passieren. Zusätzlich ermutigt Citizen Nutzer:innen in der Nähe des Schauplatzes, selbst Videos und Fotos hochzuladen und zu kommentieren.

Zunehmende Macht von Nutzer:innen

Falsche Alarme listet Citizen nach eigenen Angaben nicht. Doch genau dieser Fall ist nun eingetreten. Dabei veröffentlichte die App die für den mutmaßlichen Brandstifter angebotene Belohnung ohne Abstimmung mit zuständigen Behörden. Polizist Jim Braden, der den fälschlich Beschuldigten verhörte, bezeichnet die Handlungen Citizens als „verheerend“.

Expert:innen sagen, der Fall mache deutlich, wie riskant es sein kann, wenn falsche Anschuldigungen viral gehen und die Justiz in die Hände von Unternehmen gelegt wird. Kritik äußert etwa Sarah Esther Lageson, Juniorprofessorin für Technologie und Polizeiarbeit: Wer einmal mit Bild und Namen im Internet verdächtigt wurde, bleibt belastet – selbst wenn sich die Person später als unschuldig erweist. Sie betont: „Diese Apps verschieben die Machtdynamik von Überwachung und Reaktion auf Verbrechen, indem sie die Besitzer:innen eines Telefons bestimmen lassen, wer verdächtig ist und warum.“

App fördert Angst, bietet jedoch auch Sicherheit

Nicht zum ersten Mal fällt die App aufgrund von Sicherheitsbedenken auf. Apple nahm die zunächst unter dem Namen Vigilante gelaunchte App Ende 2016 aus ihrem App Store, weil sie laut Apple Bürger:innen zur Selbstjustiz anstifte und zu Gewalt und Racial Profiling führen könnte.

Nach einer Neuausrichtung versprach Citizen bessere Sicherheitsmeldungen und betonte, die Selbstjustiz-Gefahr abgeschwächt zu haben. Außerdem ziehe Citizen nun Expert:innen für öffentliche Sicherheit, Polizist:innen und Bürgerrechtler:innen heran, um die App sicherer zu machen. So haben Benachrichtigungen von Citizen in der Vergangenheit beispielsweise beim Auffinden vermisster Kinder geholfen. Sie hilft mittlerweile auch bei der COVID-19-Kontaktnachverfolgung. Nutzer:innen erfahren darüber, wenn sie einen möglichen COVID-19-Kontakt hatten und können Vorsichtmaßnahmen treffen.

Vergangenes Jahr hatten außerdem sämtliche Aktivist:innen der Black Lives Matter-Demonstrationen die App genutzt. So konnten sie über Citizen beispielsweise überwachen, was auf Protesten geschah und vor allem, wie die Polizei sich auf diesen verhielt. Damit bot Citizen den Nutzer:innen auch ein Gefühl von Sicherheit. Mehr als 600.000 neue Nutzer:innen hatten sich in der ersten Juni-Woche in der App registriert. Die App funktioniert bislang nur in den USA, dort allerdings in mehr als 20 Städten.

Sarah Esther Lageson äußerte nach der Falschmeldung, solche Apps würden auch Vorurteile fördern und Angst innerhalb von Gemeinschaften verbreiten. Citizen sagte dem Guardian: „Wir arbeiten aktiv daran, unsere internen Prozesse zu verbessern, um sicherzustellen, dass dies nicht wieder vorkommt. Dies war ein Fehler, den wir sehr ernst nehmen.“


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