Zwei Europol-Polizisten wechselten von der EU-Polizei zur Chatkontrolle-Lobbyorganisation Thorn. Jetzt untersucht die EU-Bürgerbeauftragte, ob dieser pikante Seitenwechsel legal war. Der EU-Abgeordnete Breyer kritisiert die Lobbyverflechtungen scharf.
Die Europäische Bürgerbeauftragte untersucht Europol. Konkret geht es um zwei Personen, die von der europäischen Polizeibehörde zur Chatkontrolle-Lobbyorganisation Thorn gewechselt sind. Gemeinsam mit anderen Medien hatte netzpolitik.org diese Personalwechsel im Oktober aufgedeckt.
Einer der Polizisten wechselte innerhalb von wenigen Monaten nach dem Ende seines Vertrags zu Thorn. Inzwischen steht er auf der offiziellen Liste von Lobbyist:innen der Organisation im Bundestag und besucht Events seines früheren Arbeitgebers, um dort Thorn zu vertreten.
Die Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly reagiert mit ihrer Untersuchung auf eine Anschrift des Piraten-MEPs Patrick Breyer. Der hatte sich bei ihr darüber beschwert, wie die Kommission die Chatkontrolle vorangetrieben und beworben hatte. Besonders der Wechsel der zwei Europol-Mitarbeitenden könnte einen Interessenkonflikt darstellen.
Dokumente zum Wechsel angefordert
Das sieht O’Reilly wohl ähnlich: Sie untersucht nun, wie Europol mit dem Wechsel umgegangen ist. Das geht aus ihrem Antwortschreiben hervor, dass Breyer veröffentlicht hat. Als ersten Schritt hat sie von Europol eine Reihe an Dokumenten angefordert, die diese bis zum 15. Januar liefern muss.
Das sind erstens die Genehmigungsanfragen, die die beiden Ex-Polizisten zu anderen Tätigkeiten nach ihrer Arbeit bei Europol an die Behörde geschickt haben. Das mussten sie für zwei Jahre machen, nachdem sie dort gearbeitet hatten. Weiter will O’Reilly auch die positiv ausgefallenen Entscheidungen von Europol zu diesen Anfragen und alle weiteren internen Dokumente, die sich mit den Gründen für diese Entscheidung betreffen. Schließlich fordert die Bürgerbeauftragte auch alle Leitlinien, die Europol seinen Beamt:innen zu bezahlten oder unbezahlten Tätigkeiten nach der Arbeit dort gibt.
Breyer begrüßte die Ankündigung: „Seit der Enthüllung des Chatcontrol-Gate wissen wir, dass die Chatkontrolle letztlich ein Produkt der Lobby eines internationalen überwachungsbehördlich-industriellen Komplexes ist“, hieß es von ihm. „Wir werden EU-Innenkommissarin Johansson und Europol für diesen Verrat an unseren digitalen Bürgerrechten zur Verantwortung ziehen, damit er sich nie wiederholen kann.“
Europol sagte auf Anfrage von netzpolitik.org, man unterstütze die Untersuchung der Bürgerbeauftragten. Der Innenausschuss des EU-Parlaments hat sich im Oktober bereits mit den angesprochenen Punkten beschäftigt. „Es gibt keinen Abfluss von Wissen oder Expertise von Europol in die Privatwirtschaft“, sagte damals der Stellvertretende Direktor von Europol. Der zuständige Ausschuss habe in den fraglichen Fällen einstimmig beschlossen, dass kein Interessenkonflikt vorlag.
Keine weitere Untersuchung zu Microtargeting
Zwei andere Themen, die Breyer in seiner Beschwerde an O’Reilly angesprochen hatte, wird diese allerdings nicht untersuchen. Das ist einerseits der Vorwurf, es habe unlautere Einflussnahme auf das Gesetzgebungsvorhaben gegeben, andererseits mögliche Gesetzesbrüche der Kommission durch deren Twitter-Werbung für die Chatkontrolle.
Zum ersten Punkt hatte O’Reilly sich bereits an die EU-Kommission gewandt. Sie hatte der Kommission empfohlen, Dokumente zu Chatkontrolle-Lobbykontakten zu veröffentlichen. Die Kommission hatte das zuvor abgelehnt. Sie wolle nun zuerst die Antwort der Kommission auf ihre Empfehlung abwarten, schrieb O’Reilly in ihrem Brief an Breyer.
Zur Twitter-Werbekampagne führe die Kommission gerade bereits eine interne Untersuchung durch, schreibt O’Reilly. Sie werde deshalb keine weitere eröffnen. Die Kommission hatte wegen der aktuellen Entwicklungen bei Twitter bereits angekündigt, keine Werbung mehr auf der Plattform schalten zu wollen.
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