Ticker

6/recent/ticker-posts

Ad Code

Responsive Advertisement

Bildbasierte Gewalt: Pornhub will Einverständnis aller Darsteller*innen prüfen

Mit neuen Regeln möchte Pornhub bildbasierte Gewalt auf der Plattform unterbinden: Demnach müssen alle Darsteller*innen Ausweise und Einverständniserklärungen hochladen, auch ihre Wohnadresse sollen sie offenlegen. Der Nachteil: Datenminimierung sieht anders aus.

Illustration im Bauhaus-Stil, ein Paar liegt im Bett und zeigt Ausweisdokumente vor.
Datenmaximierung bei Pornhub (Symbolbild) – Public Domain DALL-E-3 („couple in bad showing their ID cards, bauhaus style reduced minimalist geometric shape“), Bearbeitung: netzpolitik.org

Wer sich auf Pornhub zeigen möchte, muss der Plattform zuerst einige Dokumente vorlegen. Pornhub will künftig bereits vor einer Veröffentlichung die Ausweise und Einverständniserklärungen aller Darsteller*innen sehen, die in einem Video auftauchen. Darin soll unter anderen stehen, dass die Darsteller*innen mit den sexuellen Handlungen im Video und der Veröffentlichung im Internet einverstanden sind. Diese Regeln gelten ab dem heutigen Dienstag, wie uns die Pressestelle von Pornhub auf Anfrage bestätigt hat.

In den vergangenen Monaten hat Pornhub die Regeln bereits schrittweise verschärft, wie das US-Magazin 404 Media zuerst berichtete. Zunächst mussten Uploader*innen die Ausweise und Einverständniserklärungen der sonstigen Darsteller*innen bloß auf Nachfrage vorzeigen. Seit wenigen Wochen will Pornhub die Ausweise grundsätzlich überprüfen. Und seit dem 23. Januar müssen Uploader*innen zusätzlich auch die Einverständniserklärungen bereits im Voraus zeigen.

Das ist eine bedeutsame Wende im Wandel der Porno-Landschaft, die vor etwa vier Jahren begann. Seit dem Jahr 2020 gab es vermehrt öffentliche Aufmerksamkeit für Berichte über nicht-einvernehmliche Aufnahmen auf Pornoseiten. Zum Beispiel Aufnahmen mit versteckter Kamera. Andere Aufnahmen zeigten sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige, auch auf Pornhub, eine der meistbesuchten Websites der Welt.

Ausgehend von den USA folgte eine Welle der Empörung. Angetrieben unter anderem von religiös geprägten, sexarbeits-feindlichen Organisationen sammelte eine Anti-Pornhub-Petition mehr als zwei Millionen Unterschriften; Politiker*innen schmiedeten strengere Gesetze; Kanzleien feuerten teils erfolgreiche Klagen gegen den Konzern ab, und Zahlungsdienstleiter wie Visa und Mastercard verweigerten Pornhub ihre Dienste.

Auf die Krise folgten mehrere Rettungsversuche, darunter die im Tenor positive Netflix-Dokumentation „Money Shot“ sowie eine Charme-Offensive mit neuem Eigentümer und der Umbenennung des Mutterkonzerns von Mindgeek zu Aylo.

Früher reichte eine E-Mail-Adresse

An seinen Plattform-Regeln hat Pornhub auch geschraubt. Vorbei die Zeiten, als man nichts weiter benötigte als eine E-Mail-Adresse, um Videos auf Pornhub zu veröffentlichen. Wie sich auf diese Weise auch sehr bedenkliche Videos auf der Plattform verbreiten konnten, zeige eine VICE-Recherche aus dem Jahr 2019.

Inzwischen sind anonyme Uploads auf Pornhub nicht mehr möglich. Zunächst kontrollierte die Plattform nur die Ausweise von Inhaber*innen eines Accounts, jetzt auch von allen auftretenden Darsteller*innen. Diese Schritte dürften auch eine Lehre aus dem Fall „Girls Do Porn“ sein. So hieß die Produktionsfirma, die mehrere Darsteller*innen mit falschen Vorgaben zum Sex vor der Kamera gedrängt haben soll. Demnach wussten die Darsteller*innen nicht, dass die Videos einmal im Netz – und auf Pornhub – landen würden. Inzwischen erhielten sie Schadensersatz in Millionenhöhe. „Girls Do Porn“-Gründer Michael Pratt landete auf der Most-Wanted-Liste des FBI und wurde 2022 in Spanien festgenommen.

Die Zustimmung aller Darsteller*innen vor einer Veröffentlichung auf einer Pornoseite zu prüfen, das fordern Betroffene bildbasierter Gewalt seit Jahren. Das soll auch vor dem Szenario schützen, dass Ex-Partner*innen einvernehmlich entstandene Aufnahmen aus einer Beziehung später gegen den Willen der Gezeigten im Netz verbreiten. Mit den neuen Regeln – sofern die Umsetzung gelingt – erfüllt Pornhub diese Forderung.

Zugleich schaffen die Regeln neue Probleme. Sie verlangen nämlich, dass Darsteller*innen eine Menge von sich preisgeben, darunter ihren vollen Namen, ihre Wohnadresse, Telefonnummer, Geburtsdatum, Ausweiskopien. Das ist eine große Datensammlung. Dabei ist das Gegenteil, Datenminimierung, seit Jahren eine Forderung zum Schutz von Sexarbeiter*innen.

„Indem Plattformen so sensible Daten sammeln, bringen sie Sexarbeiter*innen in Gefahr und erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Datenlecks, die sie das Leben kosten können“, schrieb uns hierzu im Jahr 2022 etwa Yigit Aydin, Sprecher der European Sex Workers Rights Alliance (ESWA). Je nachdem, wo sie leben, drohe Sexarbeiter*innen Diskriminierung, Verfolgung, Abschiebung, Verhaftung und körperlicher Gewalt.

Das Ende anonymer Pornos

Es gibt weitere Gruppen, die durch die verschärften Regeln Nachteile erfahren können: Etwa Menschen, die ohne kommerzielle Interessen anonym Nacktaufnahmen verbreiten möchten, sei es als Hobby oder als politischer Protest. Oder Menschen, die schlicht keine Ausweispapiere besitzen, wie sie von Pornhub nun zwingend verlangt werden.

Auf den ersten Blick klingt es nach der Quadratur des Kreises: Wie könnte man Einvernehmlichkeit überprüfen und zugleich personenbezogene Daten minimieren? Ansätze für Lösungen gibt es, zumindest in der Nische. So haben wir etwa über Nackt-Communitys berichtet, die Einvernehmlichkeit mithilfe von anonymen Videos überprüfen.

Der Wandel der Porno-Landschaft ist noch längst nicht abgeschlossen. Auf der weltgrößten Pornoseite, XVideos, gibt es derzeit etwa ein Verifikations-Verfahren ohne Ausweispapiere. Nutzer*innen müsse hierfür ein Video von sich hochladen und beispielsweise „XVideos“ auf ihren Körper schreiben. Dieses Verfahren ist aber offenbar nicht verpflichtend für alle Uploader*innen. xHamster wiederum arbeitet – ähnlich wie Pornhub – mit dem Anbieter Yoti, um Ausweise zu kontrollieren.

Parallel zu solchen freiwilligen Maßnahmen arbeitet die EU an potentiell verpflichtenden Ausweiskontrollen, zumindest für die größten Pornoseiten. Diese Kontrollen richten den Blick allerdings nicht auf die Darsteller*innen, sondern auf alle Besucher*innen einer Seite – mit dem Ziel, deren Alter zu überprüfen. Grundlage dafür ist das Digitale-Dienste-Gesetz (DSA), das sehr großen Plattformen (VLOPs = very large online platforms) besonders strenge Pflichten auferlegt. Zu diesen VLOPs gehören laut EU inzwischen auch Pornhub, XVideos und Stripchat, die Live-Cam-Seite aus dem xHamster-Kosmos.


Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.

Enregistrer un commentaire

0 Commentaires