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Wegen Video-Sperrung: Aktionskünstler mahnen Bundesregierung ab

Der Streit um das Deepfake-Video des Zentrums für Politische Schönheit geht weiter. Die Aktionskunstgruppe wehrt sich nun juristisch gegen die Sperrung des Videos auf Instagram und YouTube – und setzt die Bundesregierung mit einer Abmahnung unter Druck.

Installation vor dem Kanzleramt
Vor dem Bundeskanzleramt hat das Kunstkollektiv eine Installation aufgestellt, in der sie ein Verbot der AfD fordern. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Christian Ender

Nachdem die Bundesregierung das Video von Aktionskünstlern wegen einer angeblichen Verletzung von Marken- und Urheberrechten bei Instagram und YouTube hat sperren lassen, haben die Künstler im Gegenzug die Bundesregierung abgemahnt. Sie sehen in der Maßnahme eine Zensur ihrer Kunst.

Das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) hat deswegen am Freitagnachmittag der Bundesregierung eine Abmahnung und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zugestellt. Das erklärte ein Sprecher der Künstlergruppe beim Podcast Logbuch:Netzpolitik, auch netzpolitik.org konnte die Abmahnung einsehen.

Gegenstand des Streits ist ein Video, in dem Bundeskanzler Olaf Scholz vermeintlich das Verbot der rechtsradikalen Partei AfD ankündigt. Das Video ist Teil der Kampagne afd-verbot.de, in der verfassungsfeindliche Bestrebungen der AfD in einem Archiv beleuchtet werden. Die Bundesregierung reagierte verärgert auf das Werk der Künstler, monierte Manipulation und versuchte in der Folge, das Video auf den Plattformen Instagram, Youtube, Twitter/X und Facebook wegen Marken- und Urheberrechtsverletzungen zu melden und dadurch löschen zu lassen.

Instagram sperrte das Video, weil dort das Flaggenstab-Logo des Kanzlers genutzt wurde, eine angebliche Markenrechtsverletzung. YouTube hingegen sperrte das Video unter Berufung auf eine Urheberrechtsverletzung, weil dort das Video von Scholz’ Ukraine-Rede genutzt würde. ZPS lud das Video in einer leicht veränderten Version wieder hoch, das Original ist noch bei Twitter/X zu sehen.

Urheberrecht der Bundesregierung fraglich

In der Abmahnung heißt es, markenrechtliche Ansprüche wegen der Wiedergabe des Flaggenstabs würden bereits daran scheitern, dass das ZPS nicht im geschäftlichen Verkehr handeln würde. Stattdessen nutze das ZPS es zu „genuin künstlerischen Zwecken und zum Zwecke der öffentlichen und privaten Meinungsbildung im Kernbereich der Demokratie“.

Auch urheberrechtliche Ansprüche des Bundes würden ausscheiden, so die Abmahnung. Die Ansprache von Olaf Scholz und die Laufbilder, die das ZPS als Vorlage für das Video verwendet habe, seien „als amtliche Werke im Sinne des § 5 Abs. 2 UrhG zu werten“. Es handele sich bei der Umgestaltung durch die Künstler um eine für „jedermann erkennbare Parodie im Sinne des § 51a UrhG, die als Satire in den Schutzbereich der grundgesetzlich geschützten Kunstfreiheit fällt“.

Darüber hinaus genieße das Video gemäß § 3 UrhG Werkcharakter, da der Anteil des ZPS an dem Video Schöpfungshöhe aufweise. Ist die Schöpfungshöhe eines urheberrechtlichen Werkes im Sinne von Originalität und Kreativität erreicht, greift der urheberrechtliche Schutz für die ZPS-Künstler, die ein eigenes Kunstwerk geschaffen hätten. Laut der Abmahnung bestünden deshalb keine marken- oder urheberrechtlichen Ansprüche des Bundes. Die Meldungen bei YouTube und Instagram seien unzulässig.

Das ZPS fordert deswegen die Bundesregierung auf, die Meldungen gegenüber den Plattformen zurückzunehmen, so dass das Video wieder abrufbar ist. Weil Wiederholungsgefahr bestehe, soll die Bundesregierung zudem eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben, heißt es in der Abmahnung. In dieser Unterlassungserklärung würde sie unterschreiben, dass sie es in Zukunft unterlässt, unwahre Behauptungen gegenüber YouTube und anderen Plattformen zu vermeintlich bestehenden Urheberrechten zu äußern. Bei Zuwiderhandlung drohe dann jeweils eine Strafe von mindestens 5.500 Euro. Sollte die Bundesregierung die Unterlassungserklärung nicht bis Dienstag um 15 Uhr abgeben, können die Künstler versuchen vor Gericht gegen die Bundesregierung vorzugehen, etwa um eine einstweilige Verfügung zu erwirken.

Ein Sprecher des Zentrums für Politische Schönheit sagte gegenüber netzpolitik.org: „Wir erwarten, dass Herr Hebestreit und das Bundespresseamt mit diesem unwürdigen Zensur-Theater aufhören und die Unterlassung unterschreiben.“ Steffen Hebestreit, Regierungssprecher der Bundesregierung, hatte die Satireaktion in der Bundespressekonferenz kritisiert und rechtliche Konsequenzen in den Raum gestellt.

Urheberrecht als Zensurinstrument

Der Anwalt und Urheberrechtsfachmann Till Kreutzer nannte schon vergangene Woche gegenüber netzpolitik.org den Einsatz des Urheberrechts gegen dieses Video „Quatsch“. Das Urheberrecht diene ja normalerweise dazu, dass Künstlerinnen und Autoren für ihre Werke angemessen vergütet werden. Im Fall des ZPS würde das Urheberrecht vom Staat aber als „Zensurinstrument“ genutzt, so Kreutzer.

Die Bundesregierung selbst wies am Freitag in der Bundespressekonferenz den Zensurvorwurf zurück und brachte stattdessen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattformen vor. „Wir haben niemanden irgendwie angewiesen, da irgendetwas zu tun“, sagte die Regierungssprecherin Hoffmann. „Wir haben den Plattformen gemeldet, dass diese Videos nach unserem Verständnis gegen die AGB der Plattformen verstoßen.“ Auf die mehrfache Rückfrage von Journalisten, welches Urheberrecht denn verletzt sei, antwortete die Sprecherin ausweichend und wies auf „verschiedene problematische Aspekte“ hin. „Wo Bundesregierung draufsteht, muss auch Bundesregierung drin sein“, so die Sprecherin weiter.

Google/YouTube hat eine Presseanfrage von netzpolitik.org trotz Rückfrage seit Tagen nicht beantwortet. In einer ersten Antwort hatte sich der Konzern wegen der Zeitverschiebung mehr Zeit erbeten.


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