Ein längst vergessenes Facebook-Posting mit Badewannen-Fotomotiv kostete einen Handwerker aus Berlin mehrere Tausend Euro. Nach mehreren Instanzen vor Gericht steht fest: Er muss dem Fotograf Schadensersatz zahlen. Dabei wollte er nur auf eine Spendenaktion hinweisen, sagt Christian Remus.
Christian Remus ist Installateurmeister, er kümmert sich in seinem kleinen Berliner Unternehmen um Gas- und Wasserinstallationen. Für seine Firma betreibt er auch eine Facebook-Seite. Dort hat er ab und an Bilder von Rohrbrüchen gepostet, von frisch installierten Bädern oder auch mal andere Dinge mit Bezug zu seinem Handwerk, Nachrichtenartikel zum Beispiel. Ende 2015 war es das Bild einer Badewanne, das ihn später etwa 10.000 Euro kosten wird.
„Ich war auf der Suche nach Badewannen“, erzählt Remus. „Da habe ich gegoogelt und bin auf ein Bild gestoßen.“ Dahinter verbarg sich ein Spendenkalender – mit Akt- und Badewannenfotografien. Es sollte auf die Wasserknappheit in Afrika aufmerksam machen, die Fotos stammen von einem Fotokünstler. Remus fand die Idee mit dem Kalender gut. „Ich habe eins von den Motiven mit meinem Facebook-Account gepostet und das Projekt verlinkt, wo man den Kalender kaufen konnte“, sagt er.
Post vom Anwalt
Sechs Jahre später, er hat den Facebook-Post längst vergessen, bekommt er Post von einem Anwalt.
In dem Brief befindet sich eine Abmahnung. Remus soll eine Unterlassungserklärung abgeben. „Als ich den Brief öffnete, habe ich mir fast in die Hosen gemacht“, sagt er. „Ich hatte ja keine Ahnung.“ An das Foto hatte er schon lange nicht mehr gedacht. Den Post habe er sofort gelöscht und die Unterlassungserklärung unterschrieben, berichtet Remus weiter. Eine Geldforderung stand in dem ersten Schreiben nicht. Er hoffte, dass sich die Sache damit erledigt hätte.
Doch es dauerte nicht lange und Remus hatte erneut Post. Er sei vertragsbrüchig geworden, habe gegen die Unterlassungserklärung verstoßen und soll nun 2.500 Euro für die Verletzung der Unterlassungserklärung zahlen. Er fragte sich: Wie kann das sein, wo er den Post doch gelöscht hatte? Das Problem: Auf seiner Facebook-Seite war es nicht mehr zu finden, doch als Vorschau in den Google-Suchergebnissen tauchte das Bild weiterhin auf.
Später kam noch eine Forderung über 3.258 Euro Schadensersatz dazu, bemessen nach einer angenommenen Gebühr. Sie wäre nach Ansicht der gegnerischen Anwälte jährlich angefallen, hätte Remus eine Lizenz erworben, um das Bild gewerblich zu nutzen. Dazu noch die Anwaltskosten. Insgesamt stand die Summe nun schon bei 7.500 Euro.
Mühsame Detektivarbeit
„Ich habe das Gefühl, die haben mich einfach ins offene Messer laufen lassen. Mir war das gar nicht bewusst, dass so etwas noch woanders gespeichert ist.“ Doch Remus setzt sich sofort hin und versucht, das Bild aus den Suchergebnissen zu bekommen. Bis das klappt, dauert es ein paar Tage, doch da gibt es schon das nächste Problem.
„Weiter unten tauchte das Bild dann erneut auf, denn irgendein Branchendienst hatte die Inhalte auf meiner Facebook-Seite eins zu eins kopiert. Das Profil da habe ich aber selbst nie angelegt.“ Also recherchiert er wieder, versucht die Verantwortlichen der Seite zu finden und anzuschreiben, damit auch dort das Bild verschwindet.
Den Betrag findet der Installateurmeister jedoch zu hoch und holt sich rechtlichen Beistand. Er sah seinen Post gerade nicht als Werbung für sich selbst, sondern vielmehr für das Spendenprojekt. Dass dem Künstler ein so hoher Schaden entstanden sein könne, fand er nicht nachvollziehbar. Doch der Künstler reichte Klage bei der Zivilkammer des Landgerichts Köln ein.
Berichterstattung oder nicht?
Anwältin Beata Hubrig vertritt Remus, sie schätzt seinen Post als Berichterstattung ein. Damit würde eine spezielle Regelung des Urheberrechtsgesetzes gelten. Sie gestattet die Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken in bestimmtem Umfang, wenn es um Tagesereignisse geht. Der Kläger habe sich selbst mit anderer Berichterstattung von Medien über seinen Kalender geschmückt, auch die nutzten entsprechende Bilder. „Der viel zu teure Post hat den selben Inhalt, nur kürzer“, schreibt Hubrig.
Remus „nutzte das Foto nicht, um seine Webseite damit zu schmücken oder seinen Account damit zu verzieren. Er unterstützte die Verbreitung des Spendenkalenders, damit mehr Menschen von diesem erfahren. Er kommunizierte schlicht über das Spendenprojekt – wie viele andere Medien auch.“ Das Landgericht Köln schätzte die Lage anders ein und verurteilte Remus schließlich im Februar 2023 zu einer Schadensersatzzahlung von 3.258 Euro.
Er habe das Bild als Werbemaßnahme benutzt und könne sich nicht auf eine Berichterstattung berufen, auch wenn er die Seite zum Kalender verlinkt hat. Er sei Handwerker und kein Medienschaffender, der entsprechende Paragraf 50 des Gesetzes gelte für ihn nicht. Auch die Schadensbemessung sei angemessen. Das Landgericht hatte dafür mögliche Lizenzgebühren für eine gewerbliche Nutzung für den langen Zeitraum von sechs Jahren zugrunde gelegt. So lange war der Post online.
Gescheiterte Berufung
Remus ging in Berufung, doch die wies das Oberlandesgericht Köln schnell zurück. Das „künstlerisch wertvolle Foto ist geeignet, den Inhalt seiner Business-Facebookseite aufzuwerten“. Die Richter:innen gehen von „Aufmerksamkeits-Werbung für sein Handwerk und seine Dienstleistungen“ aus. Auch die Schadensersatzkosten aus den angenommenen Lizenzkosten halten sie für angemessen.
Anwältin Hubrig ist sauer, dass das Gericht so „pauschal urteilt“, wie sie findet. „Sich lediglich auf eingereichte Rechnungen des Künstlers für Auftragsarbeiten zu verlassen und losgelöst vom Sachverhalt einen pauschalen Schaden zu schätzen, ist an Faulheit, meiner Ansicht nach, nicht zu übertreffen“, schreibt Hubrig. Laut OLG war das Landgericht nicht verpflichtet, den Schaden exakt zu berechnen, da die Lizenzanalogie im Gesetz vorgesehen sei.
Ihrer Erfahrung nach gebe es in vielen Fällen von Urheberrechtsstreitigkeiten ähnliche Probleme. „Es findet weder eine Entwicklung in der Rechtsprechung statt, also eine Konkretisierung der Urheberrechts-Schranke für den Bereich Berichterstattung, noch wird überhaupt wahr genommen, dass hier Grundrechte miteinander kollidieren.“
Ein eigener Badewannen-Kalender
Remus macht das zu schaffen.
„Jetzt soll ich dem Kläger knapp 8.000 Euro für ein Foto auf Facebook zahlen, nochmal fast 2.000 Euro für seinen Anwalt und Gerichtskosten kommen auch noch dazu“, sagt Remus. Das ist viel Geld für den Installateurmeister, daher habe er nun seine Altersvorsorge aufgelöst. Und einen eigenen Kalender für das Jahr 2024 entworfen, mit Badewannen, die ihm in seiner eigenen Arbeit begegnet sind.
Hoffnung auf Erfolg vor Gericht haben er und Hubrig nicht mehr: Eine Verfassungsbeschwerde, die sie nach der gescheiterten Berufung eingereicht hatten, wurde nicht zur Entscheidung angenommen.
Wer einen Abdruck des Badewannenkalenders von Christian Remus haben will, kann sich bei ihm per Mail melden. Weitere Informationen zum Fall präsentierte Beata Hubrig auf der diesjährigen re:publica in einem Talk.
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