Das Zentrum für Politische Schönheit setzt das Thema AfD-Verbot mit einem Deepfake-Video des Kanzlers und einer Datenbank verfassungsfeindlicher Aussagen von AfD-Mitgliedern auf die politische Agenda. Doch die Bundesregierung debattiert lieber über die Methoden der Künstler als über deren Inhalt.
Die Aktionskunstgruppe Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) fährt mal wieder in ihrer Paradedisziplin auf: eine Art Internet-Pranger, der eine politische Debatte auslöst. Thema der Aktion: das Verbot der rechtsradikalen Partei AfD. Dafür sammelt die Künstlergruppe verfassungsfeindliche Aussagen und Beweise von Parteimitgliedern und bündelt diese auf einer Seite im Internet.
Zum Start der Kunstaktion hat das ZPS ein Deepfake-Video veröffentlicht, in dem Bundeskanzler Olaf Scholz verkündet, dass er im Juni 2024 zum 5. Todestag des von einem AfD-Anhänger ermordeten CDU-Politikers Walter Lübcke einen Antrag zum Verbot der AfD einreichen wolle. In diesem Video, das wegen fehlender Lippensynchronität als Fake zu erkennen ist, zeigt sich Scholz ungewöhnlich entschlossen im Kampf gegen die rechtsradikale Partei.
Das Bundeskanzleramt hat mittlerweile über einen Regierungssprecher auf Twitter/X eine Warnung vor dem Video verbreitet: „Das Video ist nicht echt. Solche Deepfakes sind kein Spaß. Sie schüren Verunsicherung und sind manipulativ.“ Die Bundesregierung prüft laut Medienberichten rechtliche Schritte gegen die Aktion und nimmt vor allem das Deepfake-Video „sehr, sehr ernst“, man nehme das nicht auf die leichte Schulter. Das ZPS konterte, dass die Verunsicherung der Bevölkerung eher durch die Distanzierung des Kanzlers zum Video entstehe.
Vor dem Bundeskanzleramt präsentierte die Gruppe zum Auftakt der Aktion Fotos von AfD-Politiker:innen wie Björn Höcke oder Alice Weidel hinter Gittern. Über Lautsprecher werden dort Aussagen der Partei abgespielt.
Herzstück der Kampagne ist allerdings die Webseite afd-verbot.de. Auf dieser sind tatsächlich Beweise von verfassungsfeindlichen Aussagen von prominenten Politiker:innen und Mitgliedern der rechtsradikalen Partei gesammelt und verschlagwortet. Die jeweiligen Personen werden in einer Art Gefängniskluft gezeigt. Zu ihnen sind jeweils öffentliche Aussagen verzeichnet, welche die Nutzer:innen der Webseite abfragen können.
Datenbank mit Aussagen der AfD
Bisher seien auf der Plattform über 1.500 Sachverhalte zu rund 350 Personen erfasst, die die Bedrohungslage, Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit des Vorhabens unterstreichen würden, heißt es in einer Pressemitteilung des ZPS. Laut Aussage des ZPS sind alle gezeigten Personen Mitglieder der AfD. Auf der Seite können weitere Hinweise zu den Personen und verfassungsfeindlichen Bestrebungen eingereicht werden.
Im Vorfeld der Aktion hatte das Zentrum für Politische Schönheit offenbar Briefe an AfD-Mitglieder geschickt und diese zur Meldung von verfassungsfeindlichen Parteigenoss:innen aufgerufen. Hierfür hatte das ZPS die Seite afdbund.de eingerichtet. Die Partei warnte laut rechten Medienberichten ihre Mitglieder am Samstag in einem Rundschreiben vor dieser Seite, äußerte sich jedoch nicht öffentlich.
Zu einer Zahl, wie viele Mitglieder der AfD angeschrieben wurden, wollten sich die Künstler:innen gegenüber netzpolitik.org nicht äußern. Es seien auf der Plattform bislang 400 „interessante“ Hinweise eingegangen, sagt das ZPS. Die Zahl lässt sich nicht unabhängig prüfen. Die AfD hat in ihrem Rundschreiben die Prüfung rechtlicher Schritte gegen das ZPS angekündigt, die Aktionskunstgruppe hat bislang nach eigenen Angaben keine Kenntnis von solchen Schritten und hat auch noch keine Abmahnung erhalten.
Debatte um Parteiverbot
Das Parteiverbot ist das schärfste Schwert, um verfassungsfeindliche politische Bestrebungen von Parteien zu bekämpfen. In der Bundesrepublik Deutschland wurde es erst zwei Mal ausgesprochen, einmal 1952 gegen die NSDAP-Nachfolgepartei SRP und 1956 gegen die kommunistische KPD. Ein Verbotsverfahren gegen die rechtsradikale NPD scheiterte 2003 wegen zu vieler Geheimdienst-Spitzel und 2017 erneut. Ein Grund war damals, dass die Nazi-Partei zu wenig Einfluss hatte.
Viel Einfluss hat die AfD mittlerweile. Sie steht in aktuellen Umfragen bundesweit bei über 20 Prozent und könnte bei Landtagswahlen in den östlichen Bundesländern stärkste Partei werden. In Forderungen und Programmatik unterscheidet sich die AfD zwar kaum noch von NPD, sie versteckt allerdings gemäß der neurechten Strategie ihre Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut (€) besser und erweckt den Anschein von Bürgerlichkeit. Jahre auch medialer Normalisierung und beständiger Auftritte in Talkshows haben dazu beigetragen, dass die AfD im Gegensatz zur NPD nicht mehr durchgängig ein politischer Paria ist.
Rufe nach einem Verbot werden in letzter Zeit lauter. Mehr als 400.000 Unterschriften hat eine Petition gesammelt, die ein solches Verbot fordert. Auch der CDU-Politiker Marco Wanderwitz fordert seit längerem ein Verbotsverfahren, auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken brachte ein solches ins Spiel.
Verbotsverfahren möglich, Ausgang unklar
Ganze Landesverbände der AfD werden von Verfassungsschutzbehörden als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft, die Partei als Ganzes vom Inlandsgeheimdienst als „Verdachtsfall“ behandelt. Ein Gutachten von 2019, das netzpolitik.org im Volltext veröffentlichte, belegt verfassungsfeindliche Aussagen.
Ein Verbotsverfahren gegen die erstarkte und sich radikalisierende Partei ist sowohl im Bund als auch auf Landesebene denkbar, zum Beispiel in Thüringen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte kommt in einer Studie (PDF) zum Ergebnis, dass ein AfD-Verbot juristische Chancen habe: „Der Programmatik liegt ein national völkisch verstandener Volksbegriff zugrunde, der Menschen nach rassistischen Kategorien in ihrer Wertigkeit unterscheidet und damit vom Volksbegriff des Grundgesetzes abweicht und mit Artikel 1 Absatz 1 GG nicht zu vereinbaren ist“, heißt es in diesem Gutachten. Die Studie kommt zu dem Schluss: „Im Fall der AfD, die das Ziel verfolgt, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, liegen die Voraussetzungen für ein Verbot vor.“
Über ein Verbotsverfahren wird auf Antrag von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden, der Ausgang bei der AfD ist unklar. Gegner:innen eines Verfahrens argumentieren, dass die Partei zu groß sei, dass man die rechtsradikalen Einstellungen nicht mit einem Verbot verdrängen könne und dass ein gescheitertes Verbot die Partei weiter stärke. Befürworter:innen sehen hingegen eine Chance, die rechtsradikale Partei von materiellen Zuwendungen abzuschneiden, ihre Organisationsfähigkeit zu beschränken und so Demokratie und Grundgesetz vor der Partei zu schützen.
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