Die 27. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 21 neue Texte mit insgesamt 253.581 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.
Liebe Leser*innen,
mein Thema der Woche sind Umzüge, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Erst einmal müssen wir selbst umziehen. Unsere Büros an der Schönhauser Allee sollen wir bis Ende des Jahres verlassen. Also haben wir die öffentliche Suche nach einer neuen Bleibe in Berlin gestartet. Mindestens 12 Arbeitsplätze suchen wir, mit Konferenzraum, Technik-/Abstellraum und Kaffeemach-Möglichkeit. Von wo aus werden wir in Zukunft für digitale Grund- und Freiheitsrechte kämpfen? Wir sind dankbar für jeden Tipp an kontakt@netzpolitik.org und bedanken uns für all die lieben Hinweise, die uns schon erreicht haben.
Eine neue Bleibe suchen auch zahlreiche Twitter-Nutzer*innen, mal wieder. In dieser Woche ist die von Elon Musk ramponierte Plattform noch ungastlicher geworden. Plötzlich verschwanden alle Tweets hinter einer Login-Seite. Das heißt, ohne Account ließ sich nichts mehr lesen. Und selbst wer sich einloggte, wurde ausgebremst. Nutzer*innen ohne Premium-Account durften nicht mehr als 600 Tweets pro Tag sehen. Das ist lächerlich wenig. Möglicherweise ist das nur temporär. Doch wenn man sich bei Twitter auf eines verlassen kann, dann auf Chaos.
Ich finde es klug, von Twitter ins Fediverse zu ziehen. Einfach mal losreißen von datengierigen Konzernen. Hier eine Anleitung für den Wechsel zu Mastodon. Es ist schön dort, und wirklich nicht so kompliziert, wie manche sagen.
Kein Interesse habe ich an einem Umzug zu Metas neuem Twitter-Klon namens Threads. Seit Donnerstag ist der Dienst außerhalb der EU verfügbar. Meta-Chef Zuckerberg will mit Threads nicht nur Twitter das Wasser abgraben, sondern auch im Fediverse Fuß fassen. Das größte Problem bei Threads hat Markus Beckedahl diese Woche in seiner Kolumne zusammengefasst: Auch Threads folgt den Prinzipien des Überwachungskapitalismus, na klar. Es bindet unsere Aufmerksamkeit, hortet Daten, bildet Profile und dreht uns personalisierte Werbung an. Mein Fazit: gar kein Bock.
Umziehen macht Kummer. Man lässt einen Teil vom Alltag zurück, vielleicht auch einen Teil von sich selbst. Ich vermisse das alte Twitter. Ich konnte dort alle relevanten Kolleg*innen und Expert*innen direkt finden, direkt anschreiben, direkt Antwort bekommen. Meine Güte, war das schön. Ich werde auch unser Büro direkt unterm Dach in der Schönhauser Allee vermissen. Wenn es regnet, hört man das Geprassel in jedem Zimmer. Das Wasser strömt über die Fenster wie in einer Waschanlage. Dann einen Kaffee aufbrühen und Artikel schreiben. Herrlich.
Umziehen macht aber auch Spaß. Wir entdecken neue Seiten von uns und wachsen aus schlechten Gewohnheiten heraus. Im Fediverse bemerke ich viel weniger von der ätzenden Selbstdarstellerei, die mein Lebensgefühl auf Twitter lange dominiert hat. Das tut gut. Und wer weiß, welche positiven Überraschungen ein neues Büro für netzpolitik.org bereit hält?
Ich wünsche euch ein Wochenende, an dem ihr euch zu Hause fühlen könnt
Sebastian
Öffentliches Geld – Öffentliches Gut!: Wie das Urheberrechtsgesetz geändert werden muss
Der deutsche Staat tut sich noch schwer damit, öffentlich finanzierte Informationen für alle bereitzustellen. Ein Grund dafür ist ein Paragraf des Urheberrechtsgesetzes, der den Umgang mit „anderen amtlichen Werken“ bestimmt. Wir zeigen , wie es anders gehen kann. Von Stefan Kaufmann –
Artikel lesen
Innenministerin und Spitzenkandidatin: Nancy Faeser und der Koalitionsvertrag
Für Innenministerin Nancy Faeser scheint der Koalitionsvertrag eher ein lästiges Stück Papier zu sein. Ein Einblick in das schwierige Verhältnis der hessischen Spitzenkandidatin zu Vereinbarungen der eigenen Partei. Von Anna Biselli –
Artikel lesen
Vereinigtes Königreich: Mit Gesichtserkennung auf Jagd nach Ladendieben
Wer auf den britischen Inseln im Supermarkt einkauft, muss damit rechnen, biometrisch überwacht zu werden. Der Dienstleister Facewatch versorgt hunderte Läden mit Gesichtserkennung in Echtzeit, um angebliche Ladendiebe zu erkennen. Alles legal, sagt die Aufsichtsbehörde. Von Tomas Rudl –
Artikel lesen
Wissenschaftler warnen: Chatkontrolle ist der falsche Weg
Die Idee einer anlasslosen Chatkontrolle stößt auf Widerstand in der Wissenschaft: Dreihundert Unterzeichner eines internationalen offenen Briefes melden „ernsthafte Vorbehalte“ gegen den Vorschlag an. Namhafte Forscher und Wissenschaftler aus mehr als dreißig Ländern wenden sich mit technischen Argumenten gegen die geplante systematische Überwachung. Von Constanze –
Artikel lesen
Olimpias Augen: Das Hype-Theater um moderne Chatbots
Die Debatte um Künstliche Intelligenz und ChatGPT führt dramatisch in die Irre. In seiner Ringvorlesung für die Universität Erfurt fächert der Autor zehn Gefahren aktuell gehypter KI-Systeme auf und argumentiert: Nicht etwa intelligente Maschinen sind das Problem, sondern der menschliche Blick auf Technologie. Von Sebastian Meineck –
Artikel lesen
eIDAS-Konsultation: Wirtschaft will an die Wallets
Schon bald sollen alle EU-Bürger:innen über eine digitale Brieftasche verfügen, mit der sie sich on- wie offline ausweisen können. Ein Konsultationsprozess des Bundesinnenministeriums zeigt nun, welche Interessen die Wirtschaft dabei verfolgt. Und wie diese im Widerspruch zu Datenschutz und Privatsphäre stehen. Von Daniel Leisegang –
Artikel lesen
Europäischer Gerichtshof: Metas Auslegung der DSGVO ist illegal
Der Meta-Konzern hat mit seiner Auslegung der DSGVO gegen EU-Recht verstoßen und muss künftig seine Nutzer:innen um Erlaubnis fragen, bevor er deren Daten verarbeiten darf. Mit diesem Urteil stellte sich der Europäische Gerichtshof heute hinter das Bundeskartellamt. Von Johannes Gille –
Artikel lesen
Chatkontrolle: Fußballfans schreiben Protestbrief an Bundestagsabgeordnete
Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen stellen sich gegen die Chatkontrolle – unter ihnen auch Fußballfans. Sie wollen, dass die Bundesregierung die umstrittene Verordnung in Brüssel verhindert. Von Markus Reuter –
Artikel lesen
Datenschutz: EU will DSGVO-Durchsetzung verbessern
Die Mühlen der Datenschutz-Grundverordnung mahlen langsam, ungleichmäßig und manchmal sogar in gegenläufige Richtungen. Ein neuer Vorschlag der EU-Kommission will die Durchsetzung der Datenschutzregeln nun verbessern. Von Tomas Rudl –
Artikel lesen
Irgendwas mit Internet: Threads ist die Hoffnung der Stunde – und der falsche Weg
Es ist schon eine verrückte Zeit: Ausgerechnet Mark Zuckerbergs Projekt „Threads“ gilt vielen nun als taugliche Alternative, um der Twitter-Abhängigkeit und Elon Musk zu entkommen. Das aber ist eine Fehlannahme. Von Markus Beckedahl –
Artikel lesen
Auch das noch: FDP will Klimaschutz bei Rechenzentren verwässern
Nach der Verhinderung des Tempolimits und der Blockade bei der Heizungswende torpediert die FDP nun auch Umwelt- und Klima-Auflagen bei Rechenzentren. Dabei machen diese schon heute etwa drei Prozent des Stromverbrauchs aus. Ein Kommentar. Von Markus Reuter –
Artikel lesen
Künstliche Intelligenz: Europarat setzt Zivilgesellschaft vor die Tür
Der Europarat will „Künstliche Intelligenz“ regulieren – allerdings ohne die Zivilgesellschaft. Überraschend hat er zivilgesellschaftlichen Organisationen den Beobachterstatus bei den Verhandlungen zu der KI-Konvention entzogen. Die Organisationen kritisieren die Entscheidung in einem offenen Brief. Von Markus Reuter –
Artikel lesen
Surveillance advertising in Europe: The adtech industry tracks most of what you do on the Internet. This file shows just how much.
The advertising industry has more than 650,000 labels to target people. Reading through them reveals how even the most sensitive aspects of our life are monitored. EU-based data brokers play a vital role in this system. Von Ingo Dachwitz –
Artikel lesen
A Call to Action: Universities of the World, Join the Fediverse!
While there is a lot of discussion about new Twitter alternatives and the relevance of journalists and other critical groups of users, the potential of university-based Fediverse instances has hardly been addressed. It is high time for universities to get involved in the Fediverse. This is a call to action. Von Leonhard Dobusch –
Artikel lesen
Bestandsdatenauskunft 2022: Behörden fragen sekündlich, wem eine Telefonnummer gehört
Staatliche Stellen haben letztes Jahr 23 Millionen Mal abgefragt, wem eine Telefonnummer gehört. Damit ist die Zahl der Anfragen das erste Mal seit Langem rückläufig. Auch Inhaber von IP-Adressen werden abgefragt, doch darüber will auch die Ampel-Regierung weiterhin keine Transparenz. Von Johannes Gille –
Artikel lesen
Offener Brief der Wissenschaft: Das Client-Side-Scanning ist zum Scheitern verurteilt
Die EU-Kommission will massenweise persönliche Nachrichten scannen, um Darstellungen von sexuellem Missbrauch zu bekämpfen. Wissenschaftler:innen aus aller Welt fordern nun, die Pläne zurückzuziehen. Sie hätten ohnehin keine Aussicht auf Erfolg. „Das lobenswerte Ziel, Kinder zu schützen, ändert an dieser technischen Realität nichts.“ Wir haben den Brief übersetzt. Von Gastbeitrag –
Artikel lesen
Chatkontrolle: EU-Staaten wollen Verschlüsselung doch nicht schützen
Die EU-Staaten wollen Internet-Dienste verpflichten, auch in verschlüsselten Inhalten nach Straftaten zu suchen. Die Mehrheit lehnt einen Vorschlag zum Schutz von Verschlüsselung ab. Damit kann die Bundesregierung dem Chatkontrolle-Gesetz nicht zustimmen. Wir veröffentlichen drei eingestufte Verhandlungsprotokolle. Von Andre Meister –
Artikel lesen
Eiskalt verhaftet: Ben & Jerry’s-Gründer bei Protest für Julian Assange festgenommen
Julian Assange hat kaum noch rechtliche Möglichkeiten, eine Auslieferung in die USA abzuwenden. Deswegen haben prominente Unterstützer:innen in Washington gegen die US-Regierung protestiert. Bei einer Aktion wurde nun Ben Cohen festgenommen. Von Markus Reuter –
Artikel lesen
Letzte Generation: Journalisten wehren sich gegen Abhören des Pressetelefons
Über Monate haben Ermittlungsbehörden das offizielle Pressetelefon der Klima-Protestgruppe abgehört. Davon waren viele Journalist:innen betroffen. Die Abhörmaßnahme hat nun ein gerichtliches Nachspiel. Von Markus Reuter –
Artikel lesen
Staatstrojaner: Polizei in Frankreich soll Telefone hacken dürfen
In Frankreich soll die Polizei den Standort von Verdächtigen über ihre Telefone und sonstigen Geräte verfolgen und sie aus der Ferne abhören dürfen. Kritiker:innen warnen davor, dass Staatstrojaner grundlegende Freiheitsrechte gefährden. Von Chris Köver –
Artikel lesen
Modernisierung des Passwesens: Weiterhin Kritik am abgespeckten Gesetz
Der Bundestag hat heute eine Modernisierung des Passwesens beschlossen. Zwei besonders umstrittene Vorhaben, die im ersten Entwurf des Bundesinnenministeriums vorgesehen waren, sind vom Tisch. Dennoch gibt es weiterhin Kritik an der Reform. Von Daniel Leisegang –
Artikel lesen
Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.
0 Commentaires