Staatliche Stellen haben letztes Jahr 23 Millionen Mal abgefragt, wem eine Telefonnummer gehört. Damit ist die Zahl der Anfragen das erste Mal seit Langem rückläufig. Auch Inhaber von IP-Adressen werden abgefragt, doch darüber will auch die Ampel-Regierung weiterhin keine Transparenz.
Wem gehört eine bestimmte Telefonnummer? Diese Information können mehr als 100 staatliche Stellen von Telefonanbietern erhalten, ohne dass die betroffenen Kund:innen oder Firmen davon etwas erfahren. Das automatisierte Auskunftsverfahren betreibt die Bundesnetzagentur. Es ist auch als „Behördentelefonbuch“ oder Bestandsdatenauskunft bekannt.
Die Bundesnetzagentur veröffentlicht jedes Jahr Statistiken über die Abfragen. Neben einem Absatz im jüngst veröffentlichten Jahresbericht Telekommunikation findet sich auch auf der Webseite folgende Angabe:
Im Jahr 2022 wurden insgesamt 23 Mio. Ersuchen durch die Systeme der Bundesnetzagentur beantwortet.
Wir haben die Zahlen wie jedes Jahr aufbereitet und visualisiert.
22,7 Millionen Mal: Wem gehört diese Telefonnummer?
Staatliche Stellen wie Polizei, Geheimdienste und Zoll haben im vergangenen Jahr rund 22,7 Millionen Mal bei Telefonanbietern angefragt, wer eine bestimmte Telefonnummer registriert hat – im Schnitt ist das eine Anfrage pro Sekunde. Als Antwort erhalten die Behörden in der Regel einen Datensatz mit Name, Anschrift und weiteren Bestandsdaten. Statistisch gesehen ist jeder dritte Einwohner davon betroffen.
Das erste Mal seit acht Jahren ist die Anzahl der nummernbasierten Ersuche im Vergleich zum Vorjahr gesunken.
Seit 2017 müssen auch Prepaid-SIM-Karten mit einem amtlichen Ausweisdokument registriert werden. Es enthält genau jene Daten, welche die Behörden im Durchschnitt sekündlich abfragen. Mit dem neuen Telekommunikationsgesetz und der Kundendatenauskunftsverordnung dürfen Polizei und Geheimdienste noch einfacher auf diese Daten zugreifen.
Welche Telefonnummern gehören dieser Person?
Die Auskunft kann auch anders herum erfolgen: Über welche Telefonnummern verfügt eine bestimmte Person? Diese personenbasierten Ersuchen sind im vergangenen Jahr ebenfalls erstmals seit Langem leicht rückläufig. Sie erfolgten 289.551 Mal – und damit im Durchschnitt gut alle zwei Minuten.
Statistik über IP-Adressen wäre „erhebliche Belastung“
Seit dem Jahr 2013 können neben Telefonnummern auch Internetdaten wie IP-Adressen und E-Mail-Postfächer als Bestandsdaten abgefragt werden. Auf diese Weise erfahren Behörden – ebenfalls ohne Richterbeschluss –, wem eine IP-Adresse zugewiesen wurde oder welche IP-Adressen eine Zielperson nutzt.
Zu diesen Abfragen gibt es keine Statistiken, weil die Behörden direkt bei den Internetzugangsanbietern anfragen. Die Bundesnetzagentur könnte diese Statistiken erheben und veröffentlichen. Doch dazu fehlt offenbar der politische Wille.
Seit sechs Jahren haben wir die Bundesregierungen um diesen Zahlen gebeten. Die Bundesministerien haben unsere Anfragen immer wortgleich abgelehnt: Eine solche Statistik wäre „eine nicht unerhebliche zusätzliche Belastung der Telekommunikations-Unternehmen“.
In der Opposition haben FDP und Grüne wiederholt gesagt, dass eine solche Statistik „dringend nötig“ sei. Jetzt sitzen sie in der Regierung. Wir haben sie daher angefragt: In den vergangenen Jahren verwies das Bundeswirtschaftsministerium noch auf das Digitalministerium. Das sah die Zuständigkeit wiederum bei den „für Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden zuständigen Ressorts in Bund und Ländern“. Auf unsere diesjährigen Anfragen haben beide Ministerien nicht reagiert.
Die Ampel-Koalition könnte per Gesetz dafür sorgen, dass diese Statistiken erhoben werden. Aber sie will nicht.
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