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Politische Werbung: In der EU droht eine weichgespülte Regulierung gegen politisches Targeting

Nach dem Cambridge-Analytica-Skandal will die EU politische Werbung regulieren. Das Gesetz soll Manipulation bei Wahlen verhindern und demokratische Prozesse schützen. Doch zivilgesellschaftliche Organisationen warnen, dass die Verordnung in den Trilog-Verhandlungen verwässert werden könnte.

Jemand wirft einen braunen Briefumschlag in eine Wahlurne. Rechts unten sieht man ein Megafon.
Die EU möchte unlautere Manipulationen von Wahlen verhindern. – Hintergrund: Arnaud Jaegers; Megafon: Sora Shimazaki; Montage: netzpolitik.org

Die Verhandlungen der Europäischen Union zur Regulierung politischer Werbung befinden sich auf der Zielgeraden. Momentan versuchen sich Kommission, Parlament und Rat im Trilog-Verfahren hinter verschlossenen Türen auf einen Verordnungstext zu einigen. Das Gesetz soll die Datennutzung für das Targeting politischer Werbung einschränken und verbindliche Transparenzvorgaben für politische Werbung etablieren. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Datenschutzbehörden befürchten derweil, dass das Gesetz zu vage formuliert oder verwässert werden könnte.

Die EU hat nur noch wenig Zeit um die Verhandlungen abzuschließen. Bei der nächsten Europawahl im Frühjahr 2024 sollen die Regeln bereits gelten. Durch das Gesetz soll die politische Netzöffentlichkeit geschützt und unlautere Manipulationen von Wahlen und Abstimmungen verhindert werden. Wie wichtig das Vorhaben und seine richtige Umsetzung sind, beweisen nicht zuletzt Fälle wie der Skandal um Cambridge Analytica und Facebook, als das Team von Donald Trump 2016 versuchte, mit zielgerichteter Online-Werbung Schwarze US-Bürger*innen von der Wahl abzuhalten.

Datenschutzbehörden für Beschränkung von Targeting

Zwischen der EU-Kommission, dem Rat und dem Parlament gibt es mehrere Streitpunkte. Zum Beispiel die Frage, ob politisches Targeting grundsätzlich eingeschränkt werden soll, oder ob es auf Basis der Einwilligung der Betroffenen nahezu unbeschränkt weiter genutzt werden darf. In dieser Frage stärkte jüngst die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden (DSK) dem Europäischen Parlament den Rücken.

Während die EU-Kommission und der Rat umfassendes Targeting auf Basis von Einwilligungen der Betroffenen erlauben wollen, will sich das Parlament nicht auf die Einwilligung als Schutzmechanismus verlassen, sondern das Targeting selbst gesetzlich einschränken. In einer Stellungnahme sagen die Datenschutzbehörden, Targeting beruhe auf sehr komplexen Datenverarbeitungen, meist durch eine Vielzahl von Akteuren. „Hier hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Einwilligung der Betroffenen in vielen Situationen als wirksames Mittel zur Kontrolle und Steuerung der Verarbeitung personenbezogener Daten an Grenzen stößt.“

Die Konsequenzen einer Einwilligung seien für die meisten Menschen weder abschätzbar noch bestehe die Möglichkeit zu kontrollieren, ob die Datenverarbeitung tatsächlich an ihre ablehnende oder einschränkende Entscheidung angepasst werde. Zurecht spreche das EU-Parlament deshalb „mit Blick auf die Einwilligung zum Zwecke zielgerichteter Werbung von einem ’systematischen Missbrauch‘.“ Eine selbstbestimmte und informierte Einwilligung in die Datenverarbeitung werde damit oft zur Fiktion, so die DSK.

NGos warnen vor Regulierung von Meinungsäußerungen

Ein anderer Knackpunkt der Verordnung ist die Definition dessen, was überhaupt als politische Werbung gilt und somit den Regeln der Verordnung unterliegt. Nach im letzten Jahr diverse Nichtregierungsorganisationen zusammen mit Google davor gewarnt hatten, die Definition zu weit zu fassen, setzte sich das Parlament für eine enger gefasste Definition ein. Kürzlich legten zahlreiche Nichtregierungsorganisationen wie etwa AlgorithmWatch in dieser Frage nach.

Die Verordnung dürfe bezahlte politische Werbung und unbezahlte politische Meinungsäußerung nicht gleichstellen, warnten die NGOs. Es sei wichtig, „sicherzustellen, dass der Anwendungsbereich der Verordnung eng auf politische Werbung ausgerichtet bleibt“. Dabei beziehen sie sich auf ein vor kurzem geleaktes „Non-Paper“ der EU-Kommission, das auf einen weit gefassten Anwendungsbereich deutet.

Das Bündnis spricht sich zudem nachdrücklich für ein Verbot gezielter Werbung aus, die auf besonders sensiblen Kategorien personenbezogener Daten beruht. Die Nutzung dieser könne zu Verstößen gegen die DSGVO und andere EU-Richtlinien führen, warnen sie. Die EU müsse vermeiden, Rechtsvorschriften zu erlassen, „die ungewollt genau die Werte untergraben, auf denen sie aufgebaut wurde.“

Sensible Daten müssen besonders geschützt werden

Auch die Nichtregierungsorganisation Civil Liberties EU sorgt sich, dass die EU am Ende nicht mal ein klares Verbot der Nutzung von sensiblen Daten für politisches Targeting erlassen könnte. Neben einem offenen Brief an die tschechische Präsidentschaft hat die NGO deshalb vor einiger Zeit eine Petition gestartet.

Unter dem Motto „Meine Daten, meine Wahl“ heißt es dort: „In einer Demokratie wählen wir unsere Politiker*innen, nicht umgekehrt. Wenn wir Politiker*innen verbieten, unsere sensiblen Daten gegen uns zu verwenden, können wir unsere Freiheit schützen, unsere Zukunft zu wählen.“ Eine strikte Regulierung politischer Werbung sei ein Weg, um Europa vor weiteren „Möchtegern-Trumps“ zu schützen.

Ob die Verordnung dieses Versprechen halten kann, ist derzeit alles andere klar. Hierfür muss sich das EU-Parlament in wichtigen Fragen gegen die Kommission und den Rat durchsetzen. Schon in der kommenden Woche könnte der Trilog vorbei sein, dann wissen wir mehr.


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