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Bundespolizeigesetz: Horchen, aber nicht hacken

Die Bundespolizei soll künftig vermehrt Drohnen einsetzen und auch präventiv Telekommunikation überwachen dürfen. Der „Gewahrsam“ wird auf maximal vier Tage verlängert. Das geht aus dem Entwurf für das neue Bundespolizeigesetz hervor. Für staatliches Hacken soll es aber keine neuen Befugnisse geben.

Die Polizei erhält neue gesetzliche Befugnisse. Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Mika Baumeister

Das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat vergangene Woche den Referentenentwurf zum neuen Bundespolizeigesetz (PDF) vorgestellt. Damit wird das Bundespolizeigesetz (BPolG) von 1994 überarbeitet, auch um dabei einigen Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz aus dem Jahr 2016 gerecht zu werden.

Da der Referentenentwurf nun vorliegt, läuft die Stellungnahmefrist. Dass der Entwurf noch verändert wird, ist wahrscheinlich. Hat das Gesetz später den Bundestag passiert, ist es auch im Bundesrat noch zustimmungspflichtig.

Telekommunikation abhören

Zwar sollen die Befugnisse der Bundespolizei zur technischen Überwachung in mehreren Bereichen erweitert werden, wenn es nach dem Entwurf aus dem Haus von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) geht, nicht jedoch in Sachen Staatstrojaner: Der direkte Eingriff in informationstechnische Systeme von Verdächtigen ist weder in Form der „Quellen-TKÜ“ noch als „Online-Durchsuchung“ im Entwurf enthalten.

Beim Abhören der Telekommunikation im Zusammenhang mit der Sicherheit der Grenzen oder des Luft- und Bahnverkehrs soll die Befugnis der Bundespolizei allerdings um den Bereich der „präventiven“ Überwachung erweitert werden. „Präventiv“ bedeutet hier, dass noch kein konkreter begründeter Tatverdacht gegen eine Person vorliegt und damit die Strafprozessordnung zur Überwachung nicht herangezogen werden kann, aber dennoch das Abhören von Gesprächsinhalten von Zielpersonen bereits möglich ist.

Maximal für drei Monate kann die Überwachung der Telekommunikation von solchen Fast-schon-Verdächtigen richterlich angeordnet werden. Die betroffenen Telekommunikationsanbieter haben sie dann umzusetzen. Eine Erweiterung der Zeitspanne auf ein weiteres Vierteljahr ist jeweils möglich.

Neu aufgenommen ins Gesetz ist zudem die Verkehrsdatenabfrage, die bei Mobilfunkbetreibern vorgenommen werden darf, wenn eine dringende Gefahr besteht. Diese Befugnis zur Erhebung von Verkehrs- und Nutzungsdaten soll in bestimmten Fällen auch schon im Vorfeld einer dringenden Gefahr gelten, also ohne konkreten Anfangsverdacht, etwa im Zusammenhang mit „lebensgefährdenden Schleusungen“.

Dazu kommt die mit der Verkehrsdatenabfrage technisch eng verbundene und neu ins Gesetz aufgenommene Befugnis für die Bundespolizei, die sogenannte „Stille SMS“ auch präventiv zu nutzen. Diese für den Telefonnutzer nicht sichtbaren Kurznachrichten dienen zum einen der Identifizierung von SIM-Karten, zum anderen aber auch der Lokalisierung von Mobilfunkgeräten. Je nach Abstand der beim Telefon eingehenden „Stillen SMS“ lassen sich über eine Funkzellenbestimmung unterschiedlich präzise Bewegungsprofile erstellen. Möglich soll auch der Einsatz von sogenannten IMSI-Catchern sein, mit denen im direkten Umkreis der Überwachungsgeräte ebenfalls die Standorte von Mobiltelefonen ermittelt und zugleich auch Telefonate mitgeschnitten werden können.

Neu ins Gesetz aufgenommen wurde eine Berichtspflicht für einen Großteil der Befugnisse zu verdeckten Maßnahmen bei der Verkehrsdaten-, Telekommunikations- oder auch Wohnraumüberwachung, die auf das BKA-Gesetz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurückgeht. Das Bundespolizeipräsidium wird das Bundesinnenministerium dadurch alle zwei Jahre über die praktische Umsetzung und den Umfang der Überwachungsmaßnahmen informieren. Mit einer zeitlichen Verzögerung soll das Ministerium dann auch den Deutschen Bundestag in Kenntnis setzen. Das soll eine öffentliche Diskussion über verdeckte Überwachungsmaßnahmen ermöglichen.

Drohnen und Kennzeichenerfassung

Die Bundespolizei darf künftig unter bestimmten Bedingungen auch weiterhin Kennzeichen von Fahrzeugen heimlich automatisch erfassen und abgleichen. Die Maßnahmen sollen anlassbezogen, vorübergehend und nicht flächendeckend passieren und müssen dokumentiert werden. Diese Dokumentationspflicht soll neu ins Gesetz kommen und ist eine Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 zur automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle. Bei Fällen von unmittelbarer Gefahrenabwehr oder bei Straftaten von erheblicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Sicherheit der Grenzen können also weiter verdeckte Kennzeichenscanner zum Einsatz kommen. Finden sich beim automatischen Abgleich der Kennzeichendaten mit dem Fahndungsbestand keine Treffer, „sind die Daten sofort und spurenlos zu löschen“.

Die Bundespolizei soll künftig auch Drohnen mit Bild- und Tonaufnahmegeräten mit Aufzeichnungsmöglichkeit nutzen dürfen, nämlich dort, wo sie auch sonst Bild und Ton aufzeichnen darf. Ohne Frage werden die Augen und Ohren der Polizei im Vergleich zu fest installierten Systemen damit mobiler und flexibler, entsprechend höher ist auch der Grundrechtseingriff für die Betroffenen bei jeder Nutzung. Auch eine Livebildübertragung von den Drohnen darf vorgenommen werden. Die Begründung zum vermehrten Drohneneinsatz leitet sich beispielsweise von den baulichen Umgebungen in Bahnhöfen oder Flughäfen oder durch unzugängliches Gelände oder aus bestimmten Veranstaltungsbedingungen her.

Kennzeichnungspflicht

Bürgerrechtliche Fortschritte leitet die Bundesregierung beim Thema individuelle Kennzeichnungspflicht ein: Polizisten und Polizistinnen der Bundespolizei müssen in Zukunft eine Kennzeichnung tragen, die es erlaubt, sie eindeutig zu identifizieren. Diese Kennzeichnungspflicht ist eine langjährige Forderung von Bürgerrechtsorganisationen, um der weitgehenden Straflosigkeit bei von Beamten begangenen Straftaten zu begegnen. Etwa die Hälfte aller Länderpolizeien hat eine solche Kennzeichnungspflicht. Bei der Bundespolizei soll das Kennzeichen „in Form einer Ziffernfolge“ umgesetzt werden.

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Beim Racial Profiling, also der Kontrolle von Menschen aufgrund äußerer gruppenbezogener Merkmale, bringt das Gesetz eine Neuerung, die in der Vergangenheit als Mittel zur Kontrolle von Polizeimaßnahmen ins Spiel gebracht worden war: Betroffene von Polizeikontrollen durch die Bundespolizei können sich in Zukunft eine Quittung geben lassen.

Flüchtlinge und Ballsportfreunde bleiben unter Verdacht

Die Bundespolizei soll aufgrund ihres Aufgabenprofils besonders die Grenzen sowie Bahnhöfe, Häfen und Flughäfen im Blick haben, weswegen in den Begründungen im Referentenentwurf oftmals grenzpolizeiliche Beispiele herangezogen werden. In der Fußballszene dürfte der Entwurf mit wenig Freude aufgenommen werden, denn die Überwachungsbefugnisse werden auch mit Veranstaltungslagen beim Sport und Auslandsfußballspielen begründet. Es drohen mehr Meldeauflagen, Aufenthaltsverbote und auch Ausreiseverbote für Fußballfans, die nun auch durch die Bundespolizei verhängt werden dürfen.

Auch ein verlängerter „Gewahrsam“, um ausgesprochene Aufenthaltsverbote und Ausreiseuntersagungen durchzusetzen, droht künftig: Bis zu maximal vier Tage darf die Freiheitsentziehung andauern. Begründet wird die Verlängerung mit der Durchsetzung von Maßnahmen beispielsweise gegen Menschenhändler, aber auch mit der Unterbindung der „Ausreise gewaltbereiter Fußballfans zu Auslandsspielen“.


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