Bundesweit fanden heute Razzien bei der Klimagruppe „Letzte Generation“ statt. Auch die Website des losen Bündnisses hat die Polizei abgeklemmt. Dabei soll die Mitgliederstruktur und Finanzierung der Aktivist:innen enthüllt werden.
Erneut geht die Polizei mit Razzien gegen Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“ vor. Insgesamt seien heute 15 Objekte im gesamten Bundesgebiet durchsucht worden, teilte das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) mit. Zudem ist die Website der Aktivist:innen beschlagnahmt und lahmgelegt worden, inzwischen leitet der Aufruf der Domain auf den Twitter-Auftritt der „Letzten Generation“ um.
Gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft München und der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) werde gegen sieben Beschuldigte im Alter von 22 bis 38 Jahren ermittelt, hieß es weiter. Dabei gehe es um die Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gemäß Paragraf 129 des Strafgesetzbuchs.
Spendenkampagne im Netz
Ihnen wird zur Last gelegt, über die Website des Projekts eine Spendenkampagne organisiert und dabei mindestens 1,4 Millionen Euro eingesammelt zu haben. Laut BLKA sind die Spendengelder „überwiegend auch für die Begehung weiterer Straftaten der Vereinigung eingesetzt“ worden. Konkret würden zwei Beschuldigte im Verdacht stehen, im April 2022 versucht zu haben, die Öl-Pipeline Triest-Ingolstadt zu sabotieren.
Dem BLKA zufolge sollen die Durchsuchungen Beweise zur Mitgliederstruktur der „Letzten Generation“ zutage fördern und ihre Finanzierung aufklären. Beschlagnahmt wurden auch zwei Konten. Festnahmen gab es laut BLKA bisher nicht. Dem Tagesspiegel nach waren bundesweit etwa 170 Beamte im Einsatz, Durchsuchungen gab es unter anderem in Berlin, Hamburg und Bayern.
Seit rund einem Jahr machen die Aktivist:innen der „Letzten Generation“ durch öffentlichkeitswirksame Proteste auf die Klimakrise aufmerksam. Dazu zählen unter anderem Straßenblockaden, bei denen sich Mitglieder des Bündnisses festkleben, um die Räumung zu erschweren. Als Reaktion darauf laufen inzwischen tausende Verfahren gegen sogenannte Klimakleber, allein in Berlin sollen es über 2.000 Strafverfahren sein.
Scharfes Schwert §129
Der Paragraf 129 Strafgesetzbuch gilt als besonders scharfes Schwert. Im Zuge von Ermittlungen können die Telefongespräche von Verdächtigten abgehört, ihre verschlüsselte Kommunikation mit Staatstrojanern ausgelesen und ihre Wohnungen verwanzt werden. Im Falle einer Verurteilung drohen Mitgliedern bis zu fünf Jahre Haft, Unterstützer:innen bis zu drei Jahre.
Neben Bayern laufen auch in Brandenburg Verfahren wegen des Verdachts auf die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Dort waren Anlagen der PCK-Raffinerie unter anderem in Schwedt und Werneuchen attackiert worden. In Berlin prüft die neue Justizsenatorin Felor Badenberg derzeit, ob sich die „Letzte Generation“ als kriminelle Vereinigung einstufen lässt. Bislang hatte die Berliner Staatsanwaltschaft dafür keine Anhaltspunkte gesehen.
Im Netz kursieren derweil Aufrufe zu Protesten und Solidaritätskundgebungen. So findet heute in Berlin ein Protestmarsch zur Siegessäule statt. Die Klimagruppe Ende Gelände fordert, „dem fossilen Kapitalismus das Handwerk zu legen“ und nicht der Letzten Generation. Extinction Rebellion sollen die Ermittlungen „Rechte und Demokratie aushebeln und vor allem: von den wahren Kriminellen ablenken“.
Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.
0 Commentaires