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„Schwerwiegende grundrechtliche Bedenken“: Bundesländer kritisieren Chatkontrolle

Die Länder wenden sich in einer Stellungnahme gegen die EU-Pläne zur Chatkontrolle. An manchen Stellen hätte die Kritik deutlicher ausfallen können, fand aber keine Mehrheit.

Jemand fotografiert ein Kleinking, das am Strand steht
Ein Foto für die Familiengruppe könnte von automatisierten Systemen nach Auffälligkeiten gescannt werden. (Symbolbild) Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Derek Thomson

Die FDP-Ministerien formulieren rote Linien, der Bundesdatenschutzbeauftragte warnt vor Massenüberwachung und nun bekennen sich auch die Bundesländer gegen die Chatkontrolle. Am Freitag hat der Bundesrat sich zum Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder positioniert.

Die Länder betonen, wie wichtig es sei, Kinder zu schützen, sprechen sich aber gegen Maßnahmen wie die Chatkontrolle aus. Bei der Chatkontrolle wären Anbieter auf Anordnung verpflichtet, die private Kommunikation ihrer Nutzer:innen zu durchleuchten. Dadurch sollen sie Hinweise aufspüren, ob Nutzende etwa Bildmaterial mit Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder (CSAM) verschicken.

„Aufgrund des breiten Technologieeinsatzes zum Aufspüren von sexuellem Missbrauch von Kindern“ könne der Vorschlag der EU-Kommission zu Eingriffen in die Kommunikations- und Meinungsfreiheit führen, so der Bundesrat. Das kann auch besonders geschützte Kommunikation betreffen, etwa von Anwältinnen oder Ärzten. Im EU-Entwurf gebe es keine Vorschriften, derartige Kommunikation besonders zu schützen, kritisieren die Länder.

Die Kritik hätte noch deutlicher sein können

Insgesamt begegneten den geplanten Neuregelungen „schwerwiegende grundrechtliche Bedenken“. Die Stellungnahme der Länder hätte jedoch noch deutlicher ausfallen können: Einige vorgeschlagene Formulierungen aus den Bundesratsausschüssen fanden keine Zustimmung. Etwa ein expliziter Hinweis auf Verhältnismäßigkeitsprobleme. EU- und Rechtsausschuss hatten auch Bedenken beim Einsatz von Algorithmen formuliert, wo es eine hohe Fehleranfälligkeit gebe. Dafür gab es ebenso keine Mehrheit.

Löst eine Scan-Technologie falschen Alarm aus, kann das dazu führen, dass eigentlich harmlose Kommunikation auf den Tischen von Ermittlungsbehörden landet. Für automatisierte Systeme dürfte es beispielsweise schwer unterscheidbar sein, ob es sich bei einem Foto wenig bekleideter Kinder am Strand um einen Schnappschuss für die Familienchatgruppe handelt oder nicht.

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In seiner Stellungnahme fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass das Recht auf Vertraulichkeit privater Kommunikation erhalten bleibt. Keine Zustimmung fand der Punkt, dass sie sich auch bemühen solle, dass „der Einsatz von Technologien zur Erkennung von CSAM jedenfalls im Bereich der interpersonellen Kommunikationsdienste ausgeschlossen ist und bleibt“.

„Klareres Signal gewünscht“

Statt einer Ablehnung der Technologie bleibt die Bitte um Abwägung: „Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den Details der Ausgestaltung der Verordnung dafür einzusetzen, dass die Eingriffe und der Nutzen der Verordnung, insbesondere für junge Menschen, bestmöglich austariert werden.“

Der grüne Bundestagsabgeordnete Tobias B. Bacherle schreibt gegenüber netzpolitik.org: „Es ist gut, dass sich der Bundesrat heute zu dem CSAM-Entwurf der Europäischen Kommission positioniert hat.“ Die Länder machen klar, dass sexualisierte Gewalt gegen Kinder bekämpft werden müsse und es bei dem Entwurf Grundrechtsbedenken gäbe, so der Obmann des Digitalausschusses.

Bacherle geht das aber nicht weit genug. „Ich hätte mir jedoch ein noch klareres Signal gewünscht“, schreibt er. „Denn der Entwurf stellt durch das flächendeckende Scannen von privaten Nachrichten einen massiven Eingriff in die freie Meinungsäußerung, Kommunikations-, Medien und Pressefreiheit dar.“

Bisher scheint Deutschland auf EU-Ebene eher gegen die Chatkontroll-Pläne der Kommission zu argumentieren. Gleichzeitig sei es offen für Maßnahmen, wenn die Vertraulichkeit von Kommunikation dabei gewahrt werde.

Die Bundesministerien äußerten sich bisher mehrheitlich skeptisch gegenüber den Kommissionsplänen. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte: „Wir brauchen keine private Chatkontrolle“. Digitalminister Volker Wissing (FDP) versprach, sich gegen eine Umgehung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung einzusetzen. Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass die Ampel-Koalition „Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation“ ablehnt.


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