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Druck durch Jugendschutz: Twitter sperrt Porno-Accounts in Deutschland

Ein "Zutritt verboten" Schild, das blaue Twitter-Logo
Twitter ist vor allem als Plattform für politische Debatten bekannt – Pornos gibt es dort aber auch. Noch. – Schild: Wikipedia/ gemeinfrei; Vogel: twitter; Bearbeitung: netzpolitik.org

Geht es nach dem deutschen Jugendschutz, müsste sich das Internet umkrempeln. Kein Porno ohne harte Alterskontrolle, etwa durch einen vorgelegten Ausweis, eine biometrische Erfassung der Nutzer:innen oder andere Verfahren. Das soll Minderjährige schützen.

Auch auf Twitter sind Pornoclips zu sehen. Unter anderem Sexarbeiter:innen bewerben dort mit eigenen Accounts ihre Arbeit. Die zuständige Medienaufsicht übt nun offenbar verstärkt Druck auf Twitter aus, parallel zu ihrem Vorgehen gegen Pornoseiten.

„Twitter wurde von einigen Medienanstalten auf pornografische Inhalte, die sich auf den deutschen Markt richten, hingewiesen“, schreibt ein Sprecher der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen auf Anfrage von netzpolitik.org. Twitter habe auf die Hinweise nicht reagiert. Die Medienaufsicht habe daraufhin „Beanstandungs- und Untersagungsbescheide“ verschickt. In anderen Worten, sie haben Twitter nochmal offiziell Druck gemacht. Ergebnis: Twitter habe die Inhalte für Deutschland blockiert oder die Accounts gesperrt.

Twitter will nichts sagen

Zuerst darüber berichtet hat das US-Magazin Wired. Demnach zeigt Twitter bei gesperrten Accounts eine Meldung an, die besagt, der Account sei in Deutschland „aufgrund einer rechtlichen Forderung“ zurückgehalten. Überprüfen konnten wir das nicht. Laut Medienanstalt seien aktuell nur 20 bis 25 Accounts betroffen. Welche das zum Beispiel sind, wollte man uns trotz Nachfrage nicht verraten.

Wir wollten von Twitter wissen, ob das nur der Anfang ist. In welchem Umfang wird Twitter Inhalte für Deutschland sperren? Wird Twitter etwa proaktiv möglichst alle pornografischen Accounts erfassen und blockieren? Oder eine Alterskontrolle einführen, wie die Medienaufsicht es verlangt? Antwort von Twitter: „Im Moment kommentieren wir dieses Thema nicht.“

Medienaufsicht: „Hinweise aus der Bevölkerung“

Aktuell ist die Intervention durch deutsche Medienaufseher:innen eher eine Sisyphos-Aufgabe. Twitter muss nur dann reagieren, wenn ein bestimmter Account gemeldet wird. Nach wie vor gibt es auf Twitter aber jede Menge Porno-Accounts. Möchten deutsche Jugendschützer:innen künftig die ganze Plattform nach Pornografie durchforsten?

„Eine Entscheidung, ob von den Medienanstalten ein umfassendes Monitoring erfolgen wird, wurde bislang nicht getroffen“, schreibt der Sprecher. „Gleichwohl werden die Medienanstalten insbesondere bei konkreten Hinweisen aus der Bevölkerung und bei konkreten Fällen ein ähnliches Vorgehen gegen Twitter einleiten.“ Das bedeutet: Pornografie kann sich bis auf Weiteres auf Twitter verbreiten. Im Zweifel lässt sich einfach ein neuer Account erstellen. Aber Account-Betreiber:innen müssen wohl jederzeit befürchten, bei der Medienaufsicht verpetzt zu werden.

Das sind schlechte Nachrichten für Menschen, die mit sexuellen Dienstleistungen einfach nur ihr Geld verdienen. „Sexarbeiter:innen brauchen Social Media wie unzählige andere berufstätige Selbstständige auch“, sagt Sexarbeiterin Fabienne Freymadl im Gespräch mit netzpolitik.org. „Wenn dir deine Werbeplattform entzogen wird, verlierst du Kund:innen und Einkommen. Aber der Lebensunterhalt muss weiter bestritten werden.“

Freymadl: „Völlige Farce“

Tumblr, Instagram und Facebook würden Sexarbeitende bereits konsequent verbannen. „Twitter war lange Zeit eine der letzten nutzbaren Plattformen“, sagt Freymadl. In den letzten zwei Jahren schränke aber auch Twitter vermehrt Accounts ein. Bei Twitter sei das besonders brisant, weil es auch eine politische Plattform ist. „Sexarbeitende auf Twitter zu sperren bedeutet auch Silencing.“ Das heißt, dass vor allem marginalisierte Gruppen zum Schweigen gebracht werden.

Dass die Sperren etwas zum Jugendschutz beitragen, bezweifelt Freymadl. Was wirklich helfe, seien Medienkompetenz und Sexualerziehung. „Unsere Kids sind gewitzt genug, um Sperren zu umgehen. Das ist eine völlige Farce. Sperren führen zu nichts anderem, als dass Sexarbeitende deplattformisiert und stigmatisiert werden.“

Aus Sicht des deutschen Jugendschutzes wären das wohl allenfalls Kollateralschäden. Die Maßnahmen richten sich ja nicht gezielt gegen Sexarbeitende. Jugendfreie Inhalte von Sexarbeitenden wären demnach kein Problem.

Niemand kann Jugendliche vor Pornos schützen

Twitter gehört nicht gerade zu den beliebtesten Online-Plattformen unter Jugendlichen. Die sogenannte JIM-Studie untersucht regelmäßig den Medienumgang von 12- bis 19-Jährigen. Demnach haben im Jahr 2021 rund 13 Prozent der Befragten gesagt, Twitter mehrmals in der Woche zu nutzen. Häufiger genutzt werden etwa Twitch, Pinterest, Discord, Facebook, Snapchat, TikTok und Instagram.

„Irrelevant“, schreibt ein Sprecher der Medienaufsicht. Die Vorgaben des Jugendschutzes seien zu beachten. Das Pornografieverbot diene „dem Schutz Minderjähriger vor der gewollten, aber auch insbesondere ungewollten Konfrontation mit pornografischen Inhalten“.


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