Wenn ein Mensch stirbt, stehen der Familie in der Regel traurige Tage bevor. Oft kommt sie zusammen und man erzählt sich von schönen Erlebnissen mit dem oder der Verstorbenen. Für einige Familienmitglieder bedeutet der Verlust auch, dass sich ihr Alltag deutlich ändert, manchmal sehr plötzlich. Genau das soll eine kanadische Software ändern, über die sich Jana Ballweber in dieser Woche Gedanken gemacht: Der „Elder Life Calculator“ soll berechnen können, wann ein Mensch ungefähr stirbt.
Das Tool soll den Todeszeitpunkt angeblich mindestens auf den Monat genau vorhersagen, unter anderem, um Pflege besser planbar zu machen. Der Algorithmus braucht dafür verschiedene Angaben zum Leben des Menschen, außer seinem Alter zum Beispiel auch das Geschlecht, den Bildungsabschluss oder sämtliche Vorerkrankungen.
Wenn man ein Lebensende planen könnte, wäre es vielleicht einfacher zu organisieren, wann ältere Menschen Hilfe brauchen. Gleichzeitig könnten aber Krankenversicherungen und Pflegedienstleister ausrechnen, ob sich eine Hilfeleistung wirtschaftlich noch lohnt. Vor diesem Hintergrund hat unsere Autorin Jana Ballweber eine klare Meinung zu der Software: Sie ist unmenschlich.
Ausgespäht und verheimlicht
Tauchen rassistische Inhalte in sozialen Medien auf, muss der jeweilige Betreiber sie in vielen Ländern löschen – das gilt auch für Twitter. In Frankreich ist der Kurznachrichtendienst offenbar nicht schnell genug. Ein Gericht hat den Konzern dazu verurteilt, seine Moderationsregeln offenzulegen. Demnach wurden nur zwölf Prozent der strafbaren Posts innerhalb von drei bis fünf Tagen gelöscht. Für viele Hassbotschaften gilt sogar eine Frist von 24 Stunden. Geklagt hatten sechs Organisationen, die sich gegen Rassismus, Antisemitismus, Antizionismus und Homophobie engagieren, darunter SOS Racisme und der Verband jüdischer Studierender Frankreichs.
Ein Anbieter, der sich momentan noch vor staatlichen Eingriffen und Löschungen von Inhalten weitgehend gesperrt hat, ist Telegram. Bislang war unklar, ob es sich um einen Messengerdienst oder – wegen der großen Kanäle und Gruppen – schon um ein soziales Netzwerk handelt, das sich in Deutschland an das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) halten muss. Das Bundesamt für Justiz geht jetzt aber mit Bußgeldverfahren gegen Telegram vor, weil es sich nicht an Vorschriften des NetzDG hält.
Eine Kritikerin der Macht von großen Tech-Konzernen ist die 32-jährige US-Amerikanerin Lina Khan. Die Juristin wurde kürzlich zur jüngsten Vorsitzenden der US-Wettbewerbsbehörde und will sich nun eifrig „in die Dinge stürzen“. Denise Stell hat das „juristische Wunderkind“ Lina Khan im netzpolitischen Portrait vorgestellt.
Die Software Pegasus des israelischen Herstellers NSO Group ist besonders bei autoritären Regimen beliebt. Mit der Spähsoftware überwachen Machthaber auf verschiedenen Kontinenten unter anderem Menschenrechtsaktivist:innen, Oppositionelle und Journalist:innen. Das hat eine große Untersuchung der Organisation Forensic Architecture herausgefunden. In einer Online-Datenbank wurden Fälle aus Spanien, Mexiko, Saudi Arabien, Indien und Ruanda visualisiert. Die EU konnte sich bisher nich dazu durchringen, die Exporte von Überwachungssoftware ausreichend zu kontrollieren.
Auch Daten des Audioschnitt-Programms Audacity könnten bald Regierungen zur Verfügung gestellt werden. Denn nachdem die Open-Source-Software verkauft wurde, wurden die Datenschutzbestimmungen geändert. Auf den ersten Blick irritiert es, dass Daten eines Hobby-Programms zum Spähen verwendet werden können. Doch der neue Eigentümer will persönliche Angaben der Nutzer:innen an Behörden weitergeben – auch in Russland und den USA.
Youtube empfiehlt gewalttätige Inhalte
Ebenfalls bedenklich ist ein Algorithmus, der auf Youtube Videos empfiehlt, deren Inhalt gegen die Richtlinien des Portals verstößt. Eine Studie von Mozilla hat ergeben, dass insbesondere nicht-englischsprachigen Nutzern oft solche Videos vorgeschlagen werden. Besonders häufig werden Aufnahmen von Gewalttaten und Videos mit Falschinformationen, auch zu Corona-Pandemie, vorgeschlagen.
Große Medienhäuser dürften in den nächsten Jahren immer mehr künstlich generierte Inhalte anbieten. Der Innovation Hub des WDR hat dazu verschiedene Szenarien vorgestellt. Möglicherweise werden irgendwann die Radio-Nachrichten von künstlichen Stimmen gesprochen. Denise Stell hat mit zwei WDR-Innovationsmanagerinnen über die Chancen der künstlich erzeugten Medieninhalte gesprochen: Wie können Menschen die KI-Inhalte kontrollieren?
Wem gehören die Inhalte, die künstliche Intelligenz produziert? Das erklärt Julia Reda anhand der KI-Programmiersoftware Copilot von GitHub. Copilot verwendet auch Software, die unter einer Copyleft-Lizenz veröffentlich wurde, also beliebig kopiert, bearbeitet und verbreitet werden darf. Möglicherweise hat Copilot Urheberrecht verletzt, doch die freie-Software-Szene sollte das nicht problematisieren, meint Reda in ihrer Kolume
Auf internationaler Ebene beschäftigt sich die Weltorganisation für geistiges Eigentum WIPO mit Urheberrechten. In der vergangenen Woche hat sich der ständige Ausschuss der WIPO getroffen und sich mit dem Schutz von Rundfunkorganisationen und Regeln für Bildung, Forschung und Bibliotheken beschäftigt. Darüber hat Justus Dreyling in seinem Gastbeitrag berichtet.
Immer mehr Satelliten am Himmel
Die großen Tech-Konzerne sind darauf angewiesen, dass ihre Inhalte an möglichst vielen Orten auf der Welt empfangbar sind. Dafür wird kontinuierlich in die nötige Infrastruktur investiert – nicht nur weltweit. Schon heute befinden sich Tausende Satelliten im All, die die Welt mit Internet versorgen. Die Flugobjekte erleuchten nicht nur den Himmel, sie sind auch weltpolitisch ein großes Thema. Kann China mit Hilfe der Satelliten seine Wirtschaftsmacht ausbauen? Und wie weit kann Elon Musk noch aufsteigen? Markus Reuter plädiert in seinem Kommentar dafür, die Welt mit immer besserem Internet zu versorgen – aber bitte ohne Zehntausende neue Satelliten.
Wer im Gefängnis sitzt, hat dagegen oft kein Internet – ganz egal, wie gut der Empfang im jeweiligen Gebiet ist. Das macht es den Häftlingen schwerer, die Zeit nach der Entlassung zu planen. In einigen deutschen Gefängnissen können die Insass:innen online gehen, aber nur sehr eingeschränkt, soziale Medien sind tabu. Wer in welchem Gefängnis das Internet nutzen darf, ist bundesweit nicht einheitlich geregelt. In Berlin sollen aber bald alle Gefängniszellen mit einem Internetzugang ausgestattet werden. Die Häftlinge müssen zahlen, wenn sie das Angebot nutzen wollen.
Ganz viel Protest
In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht Reporter ohne Grenze eine Liste der „Feinde der Pressefreiheit“. Damit dokumentiert die Organisation besonders eklatante Unterdrückung der Pressefreiheit, beispielsweise durch den saudi-arabischen Kronprinzen bin Salman oder durch den russischen Präsidenten Putin. In diesem Jahr steht mit Viktor Orbán aber auch erstmals ein EU-Regierungschef auf der Liste.
Freie Meinungsäußerung ist auch dann in Gefahr, wenn Proteste streng überwacht werden. Die Organisation Privacy International hat nun eine Kampagne gestartet, um Tipps zu geben, wie sich Demonstrierende vor den staatlichen Überwachungstechniken in Großbritannien schützen können.
Proteste gab es in den vergangenen Monaten in Deutschland zum Beispiel von der Black-Lives-Matter Bewegung und nach dem terroristischen Anschlag in Hanau gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Dennoch gibt es noch immer großes Unwissen über strukturellen Rassismus in Deutschland, prangert die Kommunikationswissenschaftlerin Natasha A. Kelly in ihrem Gastbeitrag an. Darin nimmt sie Bezug auf den Abschlussbericht des Kabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus und Rassismus.
Und auch bei der biometrischen Überwachung in Europa geht es manchmal, zum Beispiel beim G20-Gipfel in Hamburg, um die Überwachung Demonstrierender. Das europäische Netzwerk digitaler Bürgerrechtsorganisationen EDRi hat zusammen mit der Edinburgh International Justice Initiative biometrische Überwachungsmethoden in Deutschland, Niederlanden und Polen untersucht. Das Ausmaß ist demnach schockierend: Vielfach werden die Systeme unrechtmäßig genutzt.
Von zerstörten Mobilfunkmasten und zertrampelter Natur
Matthias Monroy hat in dieser Woche berichtet, wie der EU-Anti-Terrorismus-Koordinator eine „linksterroristische Gefahr“ erfindet. Denn der Europol-Jahresbericht zu Terrorismus listet 24 linke und anarchistische „Terroranschläge“, bei denen hauptsächlich Mobilfunkmasten und Infrastruktur von Telekommunikation zu Schaden kamen. Währenddessen wurde ein Maßnahmenpaket gegen „gewalttätigen Rechtsextremismus und -terrorismus“ verschleppt.
Nach Nachrichten über Terrorismus zum Schluss noch ein etwas freundlicheres Thema: In weiten Teilen Deutschlands sind endlich Sommerferien und es wird wieder gereist. Wohin der Urlaub geht, bestimmt mittlerweile bei vielen jungen Menschen auch die „Instagramability“ eines Reiseziels. Der Run auf die Foto-Hotspots stellt einige Orte aber zunehmend vor Herausforderungen. Damit sich die zertrampelte Natur von den Anstürmen reisender Instagramer:innen erholen kann, hat ein Nationalpark in Bayern jetzt harte Konsequenzen ergriffen.
Damit ist die Woche auch schon wieder rum und wir wünschen ein erholsames Wochenende – hoffentlich an Orten mit nicht all zu viel „Instagramability“.
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