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„Die Basis“: Eine schrecklich nette Partei

„Basis“-Anhänger:innen demonstrieren am 1. Mai in Berlin

Wenn in Sachsen-Anhalt an diesem Sonntag ein neuer Landtag gewählt wird, steht auch die „Basisdemokratische Partei Deutschland“ („Basis“) auf dem Wahlzettel. Wer sich über die Partei informieren möchte, stößt womöglich auf das Foto eines Leintuchs. Auf seiner Website hat der Landesverband es unter dem Menüpunkt „Rahmenprogramm“ platziert. „Was wünschst du dir am allermeisten?“, steht darüber. Etliche Menschen haben diese Frage für sich mit bunten Filzstiften beantwortet. Das Ergebnis sieht aus wie das Produkt einer Jugendfreizeit. „Freie Homöopathie für alle“, fordert jemand, „Liebe“, „Frieden“. „Mehr Bio-Therapeuten!“ Nur wer genauer hinsieht, entdeckt die Wünsche, die fragwürdig anmuten.

Gleich mehrfach steht dort „WWG1WGA“, eine Abkürzung, die auf Deutsch übersetzt zwar so viel bedeutet wie „Einer für alle, alle für einen“, tatsächlich aber der verschwörungsideologischen QAnon-Bewegung entstammt, über die der Berliner Verfassungsschutz sagt, sie weise starke antisemitische Bezüge auf. Ein „Basis“-Mitglied wünscht sich offenbar „Mut zur Wahrheit“ und auch das ist kein Original, sondern der Leitspruch der AfD. Nebenbei ist auf dem Leintuch die Rede von „Spahn-sinn“, jemand fordert „Aufklärung“ über eine autistische Störung und stellt einen Zusammenhang mit dem Virologen Christian Drosten her, als leide dieser daran.

Das Leintuch bietet einen erstaunlich guten Überblick über die Positionen, welche die Mitglieder der Partei zu vertreten scheinen. Im vergangenen Jahr wurde die „Basis“ als Reaktion auf die Corona-Schutzmaßnahmen gegründet. Nach eigenen Angaben hat sie rund 16.000 Mitglieder, die – wie aus einem Datenleak hervorgeht – pro Monat insgesamt mehr als 150.000 Euro überweisen.

Die „Basis“ wirkt durchaus bemüht, einen freundlichen ersten Eindruck zu hinterlassen. Auf der Website der Bundespartei heißt es, sie bedeute „Kinderlachen, Freudentränen, Musik und Herzlichkeit wohin das Auge reicht“. Gemeinsame Recherchen von netzpolitik.org und dem SPIEGEL offenbaren jedoch eindeutige Gegensätze zu diesem vermeintlich netten Bild.

Alle sollen gehört werden

Die „Basis“ wurde im Juli 2020 als faktischer Nachfolger der kurzlebigen Partei „Widerstand 2020“ gegründet. Was genau sie will, ist nicht immer klar. Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg trat sie ohne ein echtes Wahlprogramm an, stattdessen legte sie das Ergebnis einer Mitgliederbefragung vor. „Wir setzen uns für weniger, dafür besser ausgearbeitete Gesetze ein“, hieß es darin etwa. 93 Prozent der Befragten stimmten dem zu. 91 Prozent fanden, die Partei sollte sich dafür einsetzen, dass bei der Ausarbeitung der Gesetzentwürfe unterschiedlichste Auswirkungen berücksichtigt werden – zum Beispiel „spirituelle“. Mit den schwammigen Aussagen statt eines Wahlprogramms kam sie auf nur ein Prozent der Zweitstimmen, in bundesweiten Umfragen spielt sie derzeit keine Rolle.

Im September will sie dennoch bei der Bundestagswahl antreten. Ein Wahlprogramm hat sie auf Bundesebene noch nicht, obwohl ein solches schon im März hätte beschlossen werden sollen. Stattdessen will sie demnächst das verabschieden, was ein Sprecher am Telefon als „Wahlprogramm light“ bezeichnet. Die Begründung: Man wolle flexibel bleiben.

Kernidee der Partei ist laut Selbstdarstellung die direkte Beteiligung von Bürger:innen durch basisdemokratische Verfahren. Alle sollen mitreden dürfen und gehört werden. Doch was einige der Funktionär:innen und Hoffnungsträger:innen in der Vergangenheit gesagt und getan haben, hat zum Teil wenig zu tun mit dem von der „Basis“ proklamierten Schwerpunkt eines „liebe- und achtungsvollen Umgangs“.

Nähe zu „Querdenken“

Da ist zum einen die Geschichte ihrer Entstehung im Umfeld von „Querdenken“. Der Verfassungsschutz beobachtet die Bewegung seit April bundesweit, er sieht bei dieser den Versuch, den Staat zu delegitimieren und fürchtet eine „neue Form des Extremismus“. An der „Basis“-Gründung war auch der Aktivist Ralf Ludwig beteiligt, zugleich Anwalt von „Querdenken“-Kopf Michael Ballweg.

In Baden-Württemberg ist der Partei mit Markus Haintz ein szenebekannter Aktivist beigetreten, der wie Ludwig im Zentrum von „Querdenken“ steht. Er war maßgeblich am Aufbau der mittlerweile wohl aufgelösten Ulmer „Querdenken“-Gruppe beteiligt. In einer internen Mitgliederliste, die uns vorliegt, ist Haintz’ Eintritt in die „Basis“ auf den 22. Januar datiert. Seit rund sechs Wochen beobachtete das Landesamt für Verfassungsschutz baden-württembergische „Querdenken“-Gruppen da bereits, der Geheimdienst sah konkrete Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung. Dennoch war der Landesverband mit der Aufnahme offenkundig einverstanden.

Ein Sprecher der „Basis“ beteuert, mit „Querdenken“ habe die Partei nichts zu tun. Dennoch haben eine Reihe von Prominenten, die in der Bewegung große Beliebtheit genießen, Listenplätze ergattert.

Verschwörungsideologische Aussagen

In Mecklenburg-Vorpommern tritt der pensionierte Arzt Wolfgang Wodarg an, der Verschwörungsmythen über das Coronavirus verbreitete und schon im März des vergangenen Jahres behauptet hatte, die Menschen seien „nicht mehr und nicht ernster krank als alle Jahre zuvor“.

In Nordrhein-Westfalen ließen sich die Biochemikerin Karina Reiß und der Epidemiologe Sucharit Bhakdi aufstellen. Im Sommer 2020 veröffentlichte das Ehepaar das Buch „Corona Fehlalarm?“ und verharmloste darin schon früh die Pandemie, die seither Millionen von Menschen das Leben gekostet hat.

Der Rechtsanwalt Reiner Fuellmich tritt bei der Bundestagswahl in Sachsen-Anhalt an. Er erlangte Bekanntheit durch eine angekündigte Sammelklage gegen Christian Drosten, für die Teilnehmende im Voraus bezahlen sollten. Nun droht sie zu scheitern. Fuellmich fiel wiederholt durch Äußerungen auf, die unter anderem im April in der Behauptung gipfelten, es habe hierzulande Vorschläge gegeben, „eine Art KZ aufzubauen, um darin die Nichtgeimpften einzuquartieren“, wie der Tagesspiegel berichtete.

Jenseits der Protest-Prominenz wollen an der Basis der Partei einige Verantwortung übernehmen, an deren Demokratieverständnis erhebliche Zweifel bestehen.

Nazi-Vergleiche und Umsturzfantasien

Spitzenkandidat in Niedersachsen ist Michael Fritsch, von Beruf eigentlich Kriminalhauptkommissar. In den vergangenen Monaten trat er mehrfach auf „Querdenken“-Demonstrationen auf, im Oktober erregte er auf einer Kundgebung in Konstanz Aufmerksamkeit mit einem Nazi-Vergleich. Fritsch sagte, er habe im Internet Begriffe wie „SS“ und „SA“ recherchiert. „Was dazu geschrieben wurde macht mir Angst, weil ich Parallelen erkenne zu dem Sicherheitsapparat, den ich heute hier sehe, für den ich fast 40 Jahre lang tätig war.“

Vom Dienst ist der Polizist suspendiert, schon seit dem vergangenen Sommer führt die Polizeidirektion Hannover ein Disziplinarverfahren gegen ihn. Beim Verwaltungsgericht Hannover reichte sie kürzlich Klage ein, um ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Wie das Gericht mitteilt, wirft die Polizeidirektion dem Kriminalhauptkommissar unter anderem die „Verunglimpfung staatlicher Institutionen und Organe“ und die „Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung“ vor. Fritsch selbst lässt seinen Anwalt auf Anfrage ausrichten, er bestreite die Vorwürfe „vollumfänglich“.

In der rheinland-pfälzischen Telegram-Gruppe der „Basis“ fiel der Landesvorsitzende Torsten Reichert durch eine Reihe von demokratiefeindliche Äußerungen auf. Die Nachrichten sind öffentlich einsehbar. Unter dem Pseudonym „Random Tox“ beschimpfte er Abgeordnete als „kriminelles, korruptes Dreckspack“, das aus den Parlamenten herausgeholt werden müsse, „Helfershelfer“ in den hohen Gerichten und Verwaltungen sollten vor Bürgergerichte gestellt werden. Es gehe nur noch darum, wie man sich vor diesem System schützen und es beseitigen könne.

An anderer Stelle fordert er, eine „öffentliche Liste von Personen“ zu führen, „die den Corona-Faschismus öffentlich befürwortet oder unterstützt haben.“ Dies solle verhindern, dass die Genannten noch einmal Jobs oder Kunden bekämen. „Auch die Androhung einer solchen Perspektive sollte mäßigende Wirkung haben.“

Als wir Reichert mit seinen Äußerungen konfrontieren, schreibt er uns, die Telegram-Gruppe werde genutzt, um provokante Thesen zu formulieren und die Haltung zu solchen zu klären. Der Vorstand gehe grundsätzlich nicht auf Inhalte ein, die in der Gruppe gepostet würden. In seiner E-Mail lässt Reichert es beinahe so klingen, als wäre es nicht er selbst – der Landesvorsitzende – von dem die Forderungen stammen, sondern nur irgendein Fremder. „Die Beiträge von ‚Random Tox‘ sind keine Inhalte der Partei.“ Damit scheint das Thema für ihn erledigt zu sein.

Kontakte zur AfD

Stephan Haube ist Teil des Gründungsvorstands des Berliner Landesverbands und agiert dort als „Schwarmbeauftragter“. „Danke noch mal für euer Vertrauen!“, schrieb er in seiner Selbstvorstellung und legte scheinbar sein vorheriges politisches Engagement offen – nach eigenen Angaben bei der WASG sowie den Kleinparteien BüSo und Deutsche Mitte. Pikante Aktivitäten ließ er dabei aus. Auf Anfrage räumte er ein, Leserbriefe an die National-Zeitung verfasst zu haben, welcher der bayerische Verfassungsschutz eine „nationalistische, rassistische und revisionistische Grundhaltung“ attestierte.

Haube war auch bei der rechtsoffenen „Volksinitiative gegen das Finanzkapital“ aktiv. Gegründet hatte diese Jürgen Elsässer, heute Chefredakteur des vom Bundesamt für Verfassungsschutz im vergangenen Jahr als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuften Magazins „Compact“. Haube teilte uns per E-Mail mit, er und Elsässer seien 2016 getrennte Wege gegangen. Nach unseren Recherchen war Haube 2013 im „Arbeitskreis Sozial- und Entwicklungspolitik“ des Landesverbandes der Berliner AfD tätig. Er gab zu, die Partei in der Anfangszeit als Fördermitglied unterstützt zu haben.

Offenbar sucht auch die „Basis“ die Nähe zur AfD, die das Bundesamt für Verfassungsschutz ebenfalls für einen rechtsextremen Verdachtsfall hält. Als am 21. April die Corona-„Notbremse“ beschlossen wurde, schleuste ein Bundestagsabgeordneter drei Mitglieder der „Basis“ in den Bundestag ein, darunter der Aktivist Markus Haintz. Er und seine Kamerafrau versuchten, im Innern des Bundestags Filmaufnahmen anzufertigen, bis ihnen dies untersagt wurde. Alexandra Motschmann, „Schwarmbeauftragte“ in einem bayerischen Landkreis, sagte uns am Telefon, die Gruppe hätte sich unter anderem im Büro des AfD-Abgeordneten aufgehalten.

Expertin hält die Partei für rechtsoffen

„Die Basis kann mindestens als rechtsoffen bezeichnet werden“, sagt die Sozialwissenschaftlerin Claudia Barth. An der Hochschule Esslingen untersucht sie esoterische Strömungen und hat die Corona-Protest-Bewegung beobachtet – auch die „Basis“. „Ich sehe eine sehr große Nähe zur AfD und ihren Positionen.“ Schlagworte wie Frieden und Freiheit, welche die „Basis“ gerne bemüht, fungieren Barth zufolge als Oberflächenbotschaften. Sie klängen gut, unterstellten dabei jedoch, dass es beides in Deutschland gerade nicht gebe, so die Forscherin.

Auch die vermeintlich nette Kulisse der Partei mit den vielen Alternativmedizinerinnen und Heilpraktikern passt wohl ins Bild. „In der deutschen Esoterik ist rassistisches, antisemitisches und völkisches Denken fester Grundbestandteil“, sagt Barth. Viele lehnten Etiketten wie „rechts“ und „links“ ab – dadurch aber auch „rechtsextrem“. Rechtsextreme sähen sie dadurch als einen möglichen Bündnispartner, von denen man sich nicht distanzieren muss, da man die Kategorien ja ohnehin nicht akzeptiere.

Die Parteiführung räumt auf Anfrage ein, dass fragwürdige Äußerungen auf Telegram, NS-Vergleiche und Aufrufe zum Umsturz durchaus ein Problem seien. „Uns ist klar, dass das eine Baustelle ist“, sagte der Vorsitzende Andreas Baum. Es fehle an Strukturen, um auf problematische Beiträge reagieren zu können.

Baum versprach: Bei Grenzüberschreitungen von Mitgliedern werde man Konsequenzen ziehen.


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