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Neues aus dem Fernsehrat (104): Bericht des Zukunftsrats mit wenig Zukunft und viel Rat

Der von den Ländern eingerichtete „Rat für die zukünftige Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ hat nach knapp einem Jahr Arbeit seinen Bericht vorgelegt. Darin finden sich einige wichtige Klarstellungen, ein fragwürdiger Vorschlag und eine Leerstelle – letztere just wenn es um digitale Potenziale geht.

Foto des Berichts des Zukunftsrats bei der Präsentaton im Rahmen einer Pressekonferenz
Am 18. Januar 2024 hat der Zukunftsrat seine Vorschläge und Empfehlungen im Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit präsentiert. – Alle Rechte vorbehalten Staatskanzlei Rheinland-Pfalz / Schacht

Die Serie „Neues aus dem Fernsehrat“ beleuchtet seit dem Jahr 2016 die digitale Transformation öffentlich-rechtlicher Medien. Hier entlang zu allen Beiträgen der Reihe.

Im März letzten Jahres von den Ländern als Rundfunkgesetzgeber einberufen, hat diese Woche der achtköpfige „Zukunftsrat“ unter Vorsitz der ehemaligen Gruner+Jahr-Chefin Julia Jäkel seinen Bericht vorgelegt. Die Rundfunkkommission der Länder hatte beauftragt, „eine langfristige Perspektive für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seiner Akzeptanz über das laufende Jahrzehnt hinaus zu entwickeln“.

Das Ergebnis ist, angesichts der zehnmonatigen Beratung und großen Zahl an Autor:innen, mit gut 30 Seiten überraschend knapp ausgefallen. Und obwohl die Mitglieder des Zukunftsrats von unterschiedlichen politischen Lagern nominiert wurden, verabschiedeten sie ihren Bericht einstimmig: „Alle Empfehlungen im Bericht werden von allen Mitgliedern des Zukunftsrats getragen.“

Die ersten öffentlichen Reaktionen auf den Bericht sind tendenziell positiv. „Der Zukunftsrat hat sich an das gehalten, was der Name verspricht: Ideen für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu entwickeln“, schreibt beispielsweise Helmut Hartung von Medienpolitik.net. Und auch andere Medien beschreiben die vorgeschlagenen Reformen als „weitreichenden Umbau“ (Der Spiegel) oder „kleine Revolution“ (Handelsblatt). Selbst notorische Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie Michael Hanfeld in der FAZ bezeichnen die Vorschläge als zumindest „interessant“.

Ich möchte im folgenden vor allem auf drei Aspekte eingehen, die mir besonders relevant scheinen: wichtige Klarstellungen, einen fragwürdigen Vorschlag und eine Leerstelle.

Klarstellung: Öffentlich-rechtliche Medien stärken Demokratie

All jene, die sich vom Zukunftsrat Vorschläge für einen Rückbau und Einschränkungen öffentlich-rechtlicher Medienangebote erhofft haben, werden enttäuscht. Der Zukunftsrat betont nicht nur die „der Demokratie dienende Funktion“ von öffentlich-rechtlichem Journalismus, sondern spricht sich auch für ein breites Angebot aus, das „[n]eben Information, Bildung und Kultur auch „Fiktion, Unterhaltung und Sport“ umfassen soll.

Der Bericht liefert dementsprechend auch keine Argumente für jene, die unter dem irreführenden Label „Beitragsstabilität“ für jährliche, reale Senkungen des Rundfunkbeitrags eintreten – von radikalen Kürzungs- und Rückbauplänen ganz zu schweigen. Im Gegenteil, der Zukunftsrat spricht sich für eine Indexierung, also automatische Anpassung des Rundfunkbeitrags aus – ein Ansatz, dem ich einiges abgewinnen kann.

Skeptisch bin ich, ob die vorgeschlagene Umstellung von einer vorhergehenden Prüfung der Beitragsanmeldung durch eine nachträgliche ex-post-Beurteilung der Auftragserfüllung die erhofften Effizienzsteigerungen bringen wird. Jedenfalls aber würde die vorgeschlagene Änderung der Finanzierungsstruktur das derzeitige, unsägliche Polit-Schauspiel rund um die Anhebung des Beitrags beenden.

Fragwürdig: Mehr Macht für Verwaltungsräte

Der eigentliche Schwerpunkt des Berichts liegt aber auf Strukturfragen und hier insbesondere auf einer Reform der ARD, die ja für „Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands“ steht. Und genau damit soll, wenn es nach dem Zukunftsrat geht, Schluss sein. Aus einer Arbeitsgemeinschaft soll eine Anstalt werden:

„Sie ist eine Dachorganisation der Landesrundfunkanstalten und wird durch Staatsvertrag der Länder errichtet. […] Die ARD-Anstalt hat eine zentrale Leitung. Diese hat die alleinige Strategie-, Steuerungs-, Finanz- und Organisationskompetenz für die bundesweiten non-linearen und linearen Angebote und für alle zentralen Aufgaben und Dienstleistungen.“

Die Landesrundfunkanstalten sollen bestehen bleiben und sich, „[v]on zentralem Abstimmungsaufwand befreit“, stärker auf „die regionale Grundversorgung […] und die regionale Perspektive“ konzentrieren. Soweit, so klar und durchaus grundlegend.

Das Papier des Zukunftsrats belässt es aber nicht bei diesen allgemeinen Strukturempfehlungen, sondern liefert, angesichts des geringen Umfangs von gut 30 Seiten, überraschend detaillierte Vorschläge zu Umgestaltung und Kompetenzen von Leitungs- und Aufsichtsgremien.

An der Spitze der Anstalt stünde keine Intendanz, sondern eine „kollegiale Geschäftsleitung“. Kontrolliert werden soll die ARD-Anstalt demnach von einem in „Medienrat“ umbenannten Rundfunkrat, der dann wiederum einen achtköpfigen Verwaltungsrat wählt. Das entspricht dem ZDF-Modell, nur dass im ZDF zu den acht vom Fernsehrat entsandten Mitgliedern dann noch vier Ministerpräsident:innen kommen. Die werden im Vorschlag des Zukunftsrats weggekürzt.

Gleichzeitig steigt dieser Verwaltungsrat zu einem überaus mächtigen Organ auf, das irgendwie zwischen Aufsicht und operativer Leitung angesiedelt ist. So soll die „kollegiale Geschäftsleitung“ im Unterschied beispielsweise zum ZDF-Intendanten nicht vom größeren Medienrat, sondern vom Verwaltungsrat „im Einvernehmen mit dem Medienrat“ gewählt werden. Einmal gewählt soll die Geschäftsleitung „an die vom Verwaltungsrat verabschiedeten Strategien gebunden“ sein. Mit anderen Worten, die derzeit strategisch relativ freie Intendanz würde so zum Ausführungsorgan des Verwaltungsrats degradiert.

Als jemand, der selbst mittlerweile knapp zwei Jahre dem ZDF-Verwaltungsrat angehört, sehe ich den vorgeschlagenen Macht- und Kompetenzzuwachs des Verwaltungsrats sehr kritisch. Vor allem auch weil sich keine Vorschläge zur stärkeren Demokratisierung und Staatsferne des vorgeschlagenen Medienrats im Papier finden – der soll wie die Rundfunkräte bisher zu einem Drittel mit aktiven Politiker:innen besetzt sein, Vorschläge zur Entsendung von Mitgliedern per Los wurden nicht aufgegriffen.

Im Ergebnis könnte das zu (noch) stärkeren Versuchen parteipolitisch motivierter Einflussnahme auf programmliche Fragen führen. Und auch vor dem Hintergrund des Aufsichtsversagens gerade des Verwaltungsrats im RBB ist es doch verwunderlich, dass gerade die Verwaltungsräte so stark aufgewertet werden sollen.

Leerstelle: Perspektiven für Digitalplattformen

Was die digitale Transformation der öffentlich-rechtlichen Angebote betrifft, gibt es einen durchaus beachtlichen und konkreten Vorschlag:

„ARD, ZDF und Deutschlandradio gründen eine gemeinsame, rechtlich verselbstständigte Gesellschaft für die Entwicklung und den Betrieb einer technologischen Plattform, die alle Technologien für digitale Plattformen und Streaming vereinheitlicht und betreibt.“ (S.26)

Ich selbst habe mich mehrfach für so eine Lösung ausgesprochen, gemeinsam mit anderen in einem Impulspapier für eine „Internetintendanz“ und auch in einem Plädoyer, zwischen Plattform und Portalen zu trennen. Die vom Zukunftsrat geforderte, gemeinsame Plattform würde genau so eine Trennung vorsehen:

„In der Plattform-Gesellschaft entstehen keine Inhalte. ARD, ZDF und Deutschlandradio behalten die Verantwortung darüber, wie sie auf Basis der gemeinsamen Technik die jeweilige Plattform, Media- oder Audiothek inhaltlich befüllen.“ (S. 26)

Abgesehen von einer neuen Gesellschaftsstruktur und der Einbeziehung des Deutschlandradios entspricht dieser Vorschlag aber weitgehend einer Entwicklung, die mit der Zusammenlegung der Mediathekentwicklung von ZDF und ARD seit längerem auf Schiene ist. Das macht es nicht falsch, nur für einen „Zukunftsrat“ erstaunlich wenig zukunftsorientiert. Worte wie „Offenheit“, „Open Source“, „Dezentrale Soziale Netzwerke“, „Fediverse“ oder ähnliches finden sich in dem Papier nicht.

Weder wird andiskutiert, ob neue digitale Technologien vielleicht auch eine Erweiterung des Auftrags nahelegen (z.B. Kuratierung von Drittinhalten in öffentlich-rechtlichen Portalen), noch wird diskutiert, wie neue digitale Technologien besser zur Erfüllung des bestehenden öffentlich-rechtlichen Auftrags eingesetzt werden könnten (z.B. durch Öffnung der Mediatheken für Publikumsbeiträge).

Dieses Defizit an Zukunftsorientierung betrifft auch die mit nur einem Absatz am Rande erwähnten Drittplattformen, die „in erster Linie dem Zweck dienen [sollen], [sonst nur schwer erreichbare] Nutzerinnen und Nutzer auf die eigenen Dienste überzuleiten“ (S. 27). Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Mit so einem eng gefassten Ansatz wäre das öffentlich-rechtliche Jugendangebot FUNK längst nicht so erfolgreich, wie es ist. Ganz abgesehen davon, dass auch der Zukunftsrat eine der wichtigsten Drittplattformen für die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medien unerwähnt lässt: die Wikipedia.

Fazit

Groß ist die Liebe zum Detail im Bericht des Zukunftsrats, was die Strukturen und Kompetenzen von Medien- und Verwaltungsräten betrifft. Im Vergleich dazu enttäuschend wenig findet sich zur digitalen Zukunft öffentlich-rechtlicher Angebote. Genau diese digitale Zukunft, der Aufbau eines offenen öffentlich-rechtlichen Ökosystems, wird aber entscheidend dafür sein, ob das duale Mediensystem auch mittelfristig gesellschaftlich relevant und akzeptiert bleibt.


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