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Facebook: Brandbeschleuniger für Konflikte

Eine Demonstration ist zu sehen. Im Vordergund des Bildes steht ein Mann. Er hält zwei Schilder hoch. Auf einem steht: "International Community! Please give attention to Rohingya Refugee in Indonesia." Auf dem anderen Schild steht: "We lost our Childhood". Im Hintergrund sind weitere Personen mit Schildern zu sehen.
In Myanmar wurde seit Mitte der 2010er-Jahre ein Völkermord an den Rohingya verübt. Facebook ließ Gewaltaufrufe gegen sie zu (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Pacific Press Agency

Dieser Beitrag erschien erstmals im aktuellen „Atlas der Zivilgesellschaft“. Der Bericht zur weltweiten Lage der Grundrechte wird jährlich von Brot für die Welt veröffentlicht und beschäftigt sich dieses Jahr mit der Frage, welche Rolle Digitalisierung bei der Sicherung oder Einschränkung dieser Freiheiten spielt.


Die Welt näher zusammenbringen, das ist nach eigener Aussage die Mission von Meta. Tatsächlich ist das Flaggschiff des Plattformkonzerns, der bis vor Kurzem noch Facebook hieß, das wohl erste wirklich globale Soziale Netzwerk: Facebook wird von Menschen in allen Regionen der Erde genutzt, knapp drei Milliarden monatliche Nutzer:innen hat der Dienst. Hinzu kommen WhatsApp und Instagram. Wäre Facebook ein Land, es wäre der mit Abstand bevölkerungsreichste Staat.

Doch ob die Bevölkerung dort sicher wäre, ob Frieden und Gerechtigkeit herrschen würden, daran darf gezweifelt werden. Standen im Nachgang des Arabischen Frühlings lange die von Facebook eröffneten Möglichkeiten für zivilgesellschaftliche Mobilisierung im Fokus, so ist die Kritik an Firmengründer Mark Zuckerberg zehn Jahre später so laut wie nie. Facebook scheitert an der eigenen Mission. Statt zu verbinden und zu empowern, fördert die Plattform allzu oft Chaos und Gewalt.

Selbst das Unternehmen kommt zu diesem Schluss. Zahlreiche interne Dokumente, die die ehemalige Facebook-Angestellte Frances Haugen 2021 zugänglich machte, zeigen: Während Instagram sich toxisch auf die Psyche junger Menschen auswirkt, hat Facebook häufig den gleichen Effekt auf das gesellschaftliche Klima. Aktivist:innen aus dem Globalen Süden warnen seit Jahren: In liberalen Staaten mit gefestigter demokratischer Öffentlichkeit mag die Plattform schädlich wirken ‒ Stichwort Donald Trump. In politisch fragileren Regionen aber, in denen Facebook oft die einzige Form der digitalen Öffentlichkeit bildet, wirkt sie geradezu verheerend.

Einen Markt nach dem anderen erobert

Gemäß Zuckerbergs Motto „Move fast and break things“ hat Facebook im vergangenen Jahrzehnt einen Markt nach dem anderen erobert ‒ ohne sich für kulturelle Besonderheiten oder die politische Situation zu interessieren. Mehr als 70 Prozent der Nutzerschaft lebt nach Schätzungen des Konzerns außerhalb von Europa und Nordamerika. Derweil gibt Facebook 87 Prozent des Budgets zur Klassifizierung von Fehlinformationen für die USA aus, wie die Facebook Papers zeigen. Für den Rest der Welt bleiben 13 Prozent.

In Myanmar etwa, wo seit Mitte der 2010er-Jahre ein Völkermord an der ethnischen Minderheit der Rohingya verübt wurde, ließ Facebook die Verbreitung von Gewaltaufrufen gegen die Volksgruppe zu. Eine Gruppe burmesischer NGOs und ein Report des Human Rights Council der UN stellten 2018 fest: Facebooks fehlende Moderation trug substanziell zur Gewalt bei. Der Konzern hatte nicht genug Moderator:innen mit entsprechenden Sprachkenntnissen beschäftigt, um seine eigenen Regeln durchzusetzen und Hass einzudämmen.

Via Posts zu Gewalt aufgerufen

Wie die Facebook Papers zeigen, wiederholt sich ähnliches in Äthiopien, wo seit Ende 2020 Bürgerkrieg herrscht. Mitarbeiter:innen des Netzwerks warnten wiederholt davor, dass „problematische Akteure“ Desinformationen verbreiten und zu Gewalt aufrufen. Doch Facebook passte seinen Moderationsaufwand nicht an. Für die 115 Millionen Einwohner:innen waren nur sechs Faktenprüfer:innen mit entsprechenden Sprachkenntnissen angestellt. Facebooks Algorithmen konnten Hate Speech lange Zeit nicht in Oromo und Amharisch verstehen, den verbreitetsten Sprachen im Land.

Interne Untersuchungen zeigen auch: Facebook scheitert nicht nur daran, Konflikte einzudämmen, es funktioniert selbst oft als Brandbeschleuniger. Dass die Plattform Emotionalisierung, Polarisierung und Desinformation fördert, liegt in der Logik ihres Geschäftsmodells. Denn Geld verdient Facebook damit, die Aufmerksamkeit der Nutzer:innen an Werbekunden zu vermarkten. Für dieses Geschäft betreibt das Unternehmen eine der größten Datensammlungen der Welt. Was Werbekunden helfen soll, die Menschen zu erreichen, die sie am besten beeinflussen können, ist anfällig für Missbrauch und Manipulation. Zudem optimiert Facebook alle Prozesse so, dass Menschen möglichst lange auf der Plattform verbringen. Die Algorithmen, die die Kommunikationsflüsse bei Facebook sortieren, bevorzugen deshalb Beiträge, die viele Likes, Shares, Kommentare oder Emojis auslösen. Doch virale Beiträge enthalten laut einem internen Bericht von 2020 viermal so oft Falschinformationen wie andere.

Es ist diese Kombination aus Datafizierung und Aufmerksamkeitsmaximierung, die Facebook so gefährlich und gleichzeitig so erfolgreich macht. Der Konzern gehört zu den wertvollsten der Welt, machte allein 2020 einen Netto-Gewinn von 29 Milliarden Dollar. Dass Facebook diesen Kurs von selbst ändert, ist nicht wahrscheinlich.

(Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Brot für die Welt. Alle Rechte vorbehalten.)


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