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Vorschlag der Bundesnetzagentur: Ein Recht auf „lahmes Internet“

Deutschlands Internet hängt an einem seidenen Faden. (Symbolbild) Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Kelly Sikkema

Die Befragten sind nicht begeistert. Die Netzagentur hatte Bürger:innen gefragt, was sie von ihrem ersten Entwurf für das Recht auf schnelles Internet halten – und gepfefferte Antworten erhalten. „Die angedachte Festlegung hinkt der Realität meiner Einschätzung nach um ein Jahrzehnt hinterher“, schreibt einer. „Das neue Recht ist kein Fortschrift in Sachen Digitalisierung in Deutschland“, ein anderer. Die Minimalgeschwindigkeit sollten 50 MBit/s sein, „darunter ist alles wieder Augenwischerei“, ärgert sich ein dritter.

Genutzt haben die Stellungnahmen bislang reichlich wenig. An den Eckpunkten, mit denen die Regulierungsbehörde Ende des Vorjahres die Debatte eröffnet hatte, hat sich nichts geändert: Der gestern veröffentlichte Entwurf der sogenannten „Telekommunikationsmindestanforderungs-verordnung“ schlägt als Mindestbandbreite im Download weiterhin nur 10 MBit/s vor, im Upload sollen es mindestens 1,3 Mbit/s sein. Zudem soll eine Ausnahmeregelung den Regulierern erlauben, eine niedrigere Bandbreite im Upload sowie eine höhere Latenz als die anvisierten 150 Millisekunden festzulegen, sollten die Kosten für einen Anschluss zu hoch ausfallen.

Schnelles Internet sieht anders aus

Eigentlich sollen die neuen Regeln eine Teilhabe an der digitalen Gesellschaft für alle Menschen ermöglichen, sagt die linke Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg. Nun sei aber eine Verordnung vorgelegt worden, die nur ein „Recht auf lahmes Internet“ festschreibe: „Mit dem Anspruch, eine durchschnittliche Nutzung von privaten, beruflichen und Bildungsdiensten zu ermöglichen, hat die vorgeschlagene Mindestbandbreite nichts zu tun“, sagt die netzpolitische Sprecherin der Linksfraktion.

„Die vorgeschlagenen 10 Mbit/s klingen erstmal nicht nach ’schnellem‘ Internet“, sagt Maik Außendorf, digitalpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion und Mitglied im Digitalauschuss. Dieser muss letztlich der Verordnung zustimmen, die nun erstmal von Ländern und Verbänden beäugt wird. Fertig ausverhandelt soll sie allerspätestens im Juni 2022 sein. Zuvor sollte es noch eine möglichst breite öffentliche Debatte zu diesem Thema geben, forderte Maiks Fraktionskollegin und Ausschussvorsitzende Tabea Rößner im Februar.

Den Rechtsanspruch auf „schnelles“ Internet hatte das im Vorjahr überarbeitete Telekommunikationsgesetz festgeschrieben, über die Details entscheidet im ersten Schritt die Bundesnetzagentur. Geltend werden den Anspruch alle Menschen machen können, welche die schließlich beschlossenen Mindestgeschwindigkeiten nicht erreichen und in einem Gebiet leben, für das es keine zeitnahen Ausbaupläne gibt. Finanziert wird dies über ein Umlageverfahren, in dessen Topf die Netzbetreiber:innen einzahlen.

Betreiber fordern weitere Schwächung

Diese sind über das neue Recht ohnehin nicht glücklich, freuen sich aber über die schwachen Rahmenbedingungen. Insbesondere die im aktuellen Entwurf enthaltene Ausnahmeregelung sei „ein Schritt in die richtige Richtung“, heißt es aus dem Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), einem Industrieverband kleinerer Netzbetreiber. Zudem solle der Bundestag und Bundesrat die Vorgaben weiter absenken und die Mindestanforderung an die Latenz pauschal auf einen Maximalwert von 350ms anheben. Das soll dabei helfen, Drahtlostechnologien wie Satelliten-, Mobil- und Richtfunk von vorneherein mit einzubeziehen und Einzelfallprüfungen zu vermeiden.

Eutelsat, ein Anbieter von Satelliteninternet, hält eine Latenzzeit von 150ms gar für „katastrophal“, da ein solcher Wert mit geostationären Satelliten nicht erreicht werden könne. In seiner Stellungnahme warnt der Betreiber vor einer drohenden „Monopolsituation“, da dies Satellitenkonstellationen in niedrigeren Erdumlaufbahnen wie Starlink oder Amazons Kuiper-System bevorzugen würde.

Kritik von der anderen Seite kommt etwa vom Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung. Die in der Konsultation zur Diskussion gestellten Anforderungen blieben hinter dem Ziel, einen schnellen Internetzugangsdienst für alle zu garantieren, weit zurück, heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums: „Im Jahr 2022 kann man nicht mehr vertreten, mit einem Downstream von 10 Mbit/s, Upstream von 1,3 Mbit/s und einer Latenz von 150 das Versprechen eines ’schnellen Internets‘ erfüllt zu haben.“ Aus der Sicht kommunaler Spitzenverbände seien die vorgeschlagenen Übertragungsraten hingegen „eine gerade noch vertretbare Untergrenze, die im weiteren Verfahren keinesfalls unterschritten werden sollte.“

Wie relevant das künftige Recht tatsächlich sein wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Bund und Länder subventionieren seit inzwischen sieben Jahren großzügig den Breitbandausbau in unterversorgten Gebieten. Trotz zahlreicher Anlaufschwierigkeiten verzeichnen die Förderprogramme indes Fortschritte. So erreichten laut Zahlen der Bundesnetzagentur im Vorjahr immerhin rund 95 Prozent aller Haushalte mindestens 50 MBit/s im Download, in den nächsten Jahren dürften viele weitere sogenannte „Weiße Flecken“ von der Ausbaulandkarte verschwinden. Bis zum Sommer will die Ampelkoalition eine neue Gigabitstrategie vorstellen, die den Ausbau weiter beschleunigen soll.

Steigender Bandbreitenbedarf

Zugleich steigt jährlich der Bedarf an Bandbreite kontinuierlich an: Was heute als „schnell“ gilt, ist morgen bestenfalls Mittelmaß. „Der springende Punkt ist die dynamische Anpassung der Bandbreite im Laufe der Jahre, orientiert an der allgemeinen Internetnutzung“, sagt der Grüne Außendorf. Eine regelmäßige Anpassung des Werts sieht das Telekommunikationsgesetz vor – und wohl auch eine ebenso regelmäßig wiederkehrende Debatte um zeitgemäße Internetgeschwindigkeiten, da jede Änderungen durch den Bundestag muss.

Für die Linke Domscheit-Berg hat spätestens die Pandemie und der sprunghaft gestiegene Bedarf an Home Schooling und Home Office gezeigt, dass selbst eine Upload-Bandbreite von 10MBit/s einfach nicht ausreiche. Sie könne sich deshalb nicht vorstellen, dass sich im Digitalausschuss eine Mehrheit für den Verordnungsentwurf findet, sollte dieser unverändert bleiben. „Als Obfrau meiner Fraktion kann ich jetzt schon zusagen, dass die Linke einer Verordnung, die derart an der Lebensrealität und den erwarteten Ansprüchen vorbei geht, keinesfalls ihre Zustimmung erteilen wird. So wird keine Teilhabe erreicht, sondern die digitale Spaltung weiter manifestiert.“


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