In Verhandlungen hat sich die EU-Kommission mit Rat und Parlament auf eine Ausnahme von der ePrivacy-Richtlinie geeinigt, die künftig Anbietern wie Facebook, Gmail oder Skype das Durchleuchten privater Chats erlauben soll. Eine Gesetzesänderung macht dies seit einigen Monaten rechtswidrig. Die Ausnahme soll neuerlich erlauben, Videos und Bilder in privaten Nachrichten auf mögliche Kindesmissbrauchsinhalte zu überprüfen und an die Strafverfolgungsbehörden zu melden.
Eine deutliche Stärkung des Datenschutzes ging der nun beschlossenen Ausnahme voraus. Der Europäische Kodex für Elektronische Kommunikation dehnte den rechtlichen Schutz privater Nachrichten in der ePrivacy-Richtlinie auf so genannte Over-the-top-Dienste aus. Damit genießen Chats auf Facebook, Linkedin und zahllosen anderen Diensten juristisch den selben Status wie normale Telefonanrufe – sie dürfen nicht generell überwacht werden.
Allerdings klagten daraufhin Polizeibehörden und Kinderrechtegruppen, dies verunmögliche den Abgleich der Hash-Werte von Audio- und Videodaten mit Datenbanken bekannter Kindesmissbrauchsinhalte. Solche Scans von Nachrichteninhalten machen große Anbieter seit Jahren. Während Facebook sie wegen der Gesetzesänderung vorübergehend aussetzte, ignorierten Google und Microsoft die rechtlichen Fragezeichen und scannten weiter. Technisch ist dies im Übrigen nur bei unverschlüsselten Inhalten möglich, die EU-Staaten denken aber bereits über mögliche Maßnahmen für einen Zugang zu verschlüsselten Inhalten nach.
Die EU-Institutionen beschlossen die Ausnahme im Eilverfahren. In die Debatte mischte sich sogar der Schauspieler Asthon Kutcher ein, dessen Kinderrechte-NGO Thorn Missbrauch durch schwächere IT-Sicherheit verhindern möchte.
Scans auch gegen Grooming-Verdacht
Die nun beschlossene Ausnahmeregel erlaubt pauschales Scannen von Inhalten auf Kindesmissbrauch für die nächsten drei Jahre, teilte die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft mit. Entgegen von Forderungen aus dem EU-Parlament schließt die Einigungen auch Anti-Grooming-Maßnahmen mit ein. Eine Studie des Forschungsdienstes im Parlament hatte automatisierte Scans von Textnachrichten auf Grooming wegen ihrer Fehleranfälligkeit und Missbrauchsmöglichkeiten als möglichen Grundrechteverstoß bezeichnet.
Die EU-Kommission möchte der Ausnahme bereits in den kommenden Wochen einen neuen Gesetzesvorschlag folgen lassen, der die Erlaubnis für freiwilliges Scannen durch eine Verpflichtung zur Durchleuchtung von Nachrichten auf Kindesmissbrauchsverdacht ersetzen soll. Kritik gibt es daran etwa vom EU-Abgeordneten Patrick Breyer, der dies als unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre bezeichnet und vor fehlerhaften Algorithmen warnt, die Unschuldige in Verdacht bringen könnten.
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